Die Anzeige- und Nachweispflichten für Arbeitnehmer bei einer Arbeitsunfähigkeit sind dringend zu beachten.
Wer gegen die Anzeige- und Nachweispflichten bei einer AU verstößt, riskiert sogar seinen Arbeitsplatz.
I Anzeige- und Nachweispflichten bei der Arbeitsunfähigkeit
I.1.a. Form der Anzeigepflicht
I.1.b. Adressat der Anzeigepflicht
I.1.c. Entbehrlichkeit der Anzeigepflicht
I.1.d. Während der Arbeitszeit tritt die AU ein – Anzeigepflicht
I.1.e. Anzeigepflicht bei Verlängerung der AU
I.1.f. Anzeigepflicht bedeutet nicht, die Diagnose bekannt zu geben!
I.2. Folgen einer Anzeigenpflicht-Verletzung
I.3. Nachweispflicht nach 3 Tagen AU
I.3.a. Nachweispflicht auf Verlagen schon nach dem 1 Tag der AU
I.3.b. Berechnung der Frist für die Erfüllung der Nachweispflicht
I.3.c. Nachweispflicht auch noch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes
I.3.d. Die „zweite“ Nachweispflicht
I.3.e. Nachweispflicht bei der Erkrankung im Ausland
Die Anzeige- und Nachweispflicht sind 2 unterschiedliche Verpflichtungen des Arbeitnehmers denen er nachkommen muss, wenn er derart erkrankt, dass er AU ist. Der erkrankte Arbeitnehmer muss zum einen den Arbeitgeber über die eingetretene Arbeitsunfähigkeit informieren (Anzeigenpflicht) und zum anderen den Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit beibringen. Die Anzeige- und Nachweispflicht einzuhalten, ist deshalb für AN besonders wichtig, um negative Auswirkungen auf ihr Arbeitsverhältnis zu vermeiden. Wird die Anzeige- und Nachweispflicht verletzt, drohen Sanktionen wie eine Abmahnung und im Wiederholungsfalle sogar die Kündigung, gegebenenfalls sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Diese beiden Pflichten sollten deshalb von jedem eingehalten werden, der an seinem Arbeitsplatz hängt. Im Übrigen entspricht es der Fairness gegenüber seinem AG, die Anzeige- und Nachweispflicht einzuhalten. Für den Arbeitgeber ist es in der Regel mit erheblichen Mühen verbunden, wenn AN wegen einer AU / Krankmeldung ausfallen. Sie können besser und schneller reagieren, wenn die Anzeige- und Nachweispflicht eingehalten wird. Die Betriebsablaufstörungen werden so vermindert, der Ausfall schlägt sich nicht derart negativ nieder, wie wenn die Pflichten bzgl. Anzeige und Nachweis verletzt werden.
Das Entgeltfortzahlungsgesetz hat in § 5 EFZG die Anzeigepflicht für alle AN einheitlich geregelt. Inhalt ist, den AG unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, über die eingetretene Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Dies bedeutet, dass die Krankmeldung am ersten Tag der Erkrankung, und zwar vor oder zu Arbeitsbeginn erfolgen muss. Unverzüglich bzw. ohne schuldhaftes Zögern heißt, wenn der Beschäftigte Kenntnis hat, dass er nicht zur Arbeit kommen kann. Bereits zu diesem Zeitpunkt muss er den AG informieren.
Die briefliche Mitteilung ist nicht ausreichend, weil es zu lange dauert, bis die Information bei dem AG ankommt! Gefordert ist vielmehr eine sofortige mündliche, telefonische, gegebenenfalls per Fax, SMS oder E-Mail zugesandte Nachricht, die auch durch Angehörige oder Arbeitskollegen erfolgen kann. Der Arbeitgeber kann die Form der Anzeigepflicht vorgeben. Ist nichts vorgegeben, kann sie in jeder Form erfüllt werden.
Bei wem hat sich der Arbeitnehmer arbeitsunfähig zu melden? Dies sollte klar im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsordnung geregelt sein. Denn gesetzlich ist das nicht geregelt. Ist also arbeitsvertraglich nicht vorgeschrieben, bei wem sich der AN arbeitsunfähig zu melden hat, kann er fast überall Bescheid geben, um seine Anzeigepflicht zu erfüllen. Er kann direkt beim Chef anrufen, ihm mailen, whattsappen, SMSen, in der Personalabteilung entsprechend Bescheid geben oder auch einem Arbeitskollegen. Ist eine Vorgabe gemacht worden, muss auch auf dem vorgegebenen Weg die Meldepflicht erfüllt werden. Wenn nicht, droht eine Abmahnung.
Eine Anzeige ist nur dann entbehrlich, sofern der Arbeitgeber bereits Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit hat. Dies ist zum Beispiel bei einem Arbeits-/Betriebsunfall der Fall.
Ein Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber auch darüber zu informieren, wenn er zum Arzt geht (dies gilt auch am Freitagnachmittag oder wenn er den Arbeitsplatz verlässt und nicht zurückkommt). Dann hat er außerdem im Anschluss – für den Fall des Erhalts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – eine weitere Meldung zu tätigen.
Dauert die AU über den zunächst angenommenen Zeitraum hinaus, muss der AN den AG über die Verlängerung der Krankheitsdauer ebenfalls unverzüglich informieren. Dies gilt auch, wenn der Sechs-Wochen-Zeitraum schon abgelaufen ist. Die Anzeigenpflicht entsteht jedes Mal neu, wenn der ursprünglich attestierte AU-Zeitraum ausläuft.
Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, Angaben über die Art oder Ursächlichkeit der Krankheit zu machen. Ausnahmsweise ist dies anders, wenn Schutzmaßnahmen im Betrieb erforderlich sind (z. B. bei ansteckenden Krankheiten). Arbeitgeber können natürlich ihre Arbeitnehmer nach der Art der Erkrankung fragen, also nach der Diagnose. Antworten müssen die AN darauf allerdings nichts. Sie haben sogar ein Recht zur Lüge und können eine andere Erkrankung angeben als die, die der Arzt diagnostiziert hat. Die Anzeigepflicht bedeutet nur, rechtzeitig dem Arbeitgeber bekannt zugeben, dass man nicht zur Arbeit kommt und wie lange die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist. Weswegen das der Fall ist muss nicht angegeben werden, nur, dass es sich um eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung handelt.
Verletzt ein Arbeitnehmer trotz vorheriger Abmahnungen wiederholt seine Anzeigenpflicht, kann dies eine ordentliche Kündigung (BAG 16.08.1991 – 2 AZR 604/90), bei hartnäckigen Verstößen sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung (LAG Köln 09.02.2009 – 5 Sa 926/08) rechtfertigen. Hingegen wird der Entgeltfortzahlungsanspruch durch eine solche Pflichtverletzung nicht beeinträchtigt. (Anders ist dies im Fall der Verletzung der Nachweispflicht. Solange der AN keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht, besteht auch keine Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber). Auch interessant dieses Urteil des LAG Thüringen 5 Sa 319/04 zur fristlosen Kündigung eines Arbeitnehmers, der absichtlich seine Anzeigenpflicht verletzt hat – als Retourkutsche, weil er auch nicht rechtzeitig seinen Lohn erhielt.
Neben der Anzeigepflicht ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzuweisen. Für die Nachweispflicht gilt § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG. Jeder AN ist nach der gesetzlichen Regelung verpflichtet, im Falle von Krankheit spätestens nach dem dritten Tag bzw. am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber vorzulegen. Dies gilt nach der gesetzlichen Regelung nur, wenn die Erkrankung länger als drei Tage dauert. Bei bis zu drei Tagen dauernder Krankheit besteht daher grundsätzlich keine Attestpflicht für den Arbeitnehmer nach dem Gesetz mehr.
Achtung: Der Arbeitgeber ist aber berechtigt, bei Kurzerkrankungen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu einem früheren Zeitpunkt zu verlangen. Dabei ist es auch zulässig, sowohl von einzelnen als auch generell von allen Arbeitnehmern des Betriebs die Vorlage eines Attestes ab dem ersten Tag der Erkrankung zu verlangen. So kann eine betriebseinheitliche Regelung getroffen werden, die die Kriterien festlegt, ab welchem Zeitpunkt jeweils Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen sind. Da es sich bei der Festlegung dieser Kriterien um eine Regelung der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der AN im Betrieb handelt, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Darüber hinaus ist es zulässig, dass mit jedem einzelnen Arbeitnehmer vertraglich vereinbart wird, dass das Attest bereits ab dem ersten Krankheitstag eingereicht wird. Auch eine entsprechende tarifvertragliche Regelung ist möglich.
Ist ein Missbrauchsverdacht zur Verkürzung der Vorlagepflicht zwingend erforderlich?
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.11.2012 – 5 AZR 886/11 – entschieden, dass ein Arbeitgeber von jedem Mitarbeiter ohne besonderen Anlass schon am ersten Tag der Krankheit eine ärztliche Bescheinigung verlangen kann. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber einen sachlichen Grund oder eine spezielle Begründung vorbringen muss, etwa den Verdacht äußert, die Krankheit sei nur vorgetäuscht.
Die Berechnung der Frist im Rahmen der Nachweispflicht begegnet in der Praxis oft Problemen. Wichtig zu wissen ist, dass bei der Berechnung der Frist der Tag, an dem der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, mitzurechnen ist. Somit ist bei Krankheit nach Arbeitsende, aber vor 24 Uhr, auch dieser Tag mitzurechnen. Zudem stellt § 5 EFZG auf Kalendertage ab. Bei einer Erkrankung an einem Donnerstag müsste die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich somit am Sonntag vorgelegt werden. Allerdings gilt diese Pflicht nur, wenn es sich in diesem Fall um einen Arbeitstag handelt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist dem Arbeitgeber an einem allgemeinen Arbeitstag vorzulegen. Sollte somit der vierte Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit bei einer 5-Tage-Woche auf einen Samstag oder Sonntag fallen, ist die Bescheinigung somit am nächsten allgemeinen Arbeitstag, also dem folgenden Montag, vorzulegen.
Dauert die Arbeitsunfähigkeit über den zunächst bescheinigten Zeitraum hinaus an, muss der AN eine neue ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Zwar sehen die gesetzlichen Bestimmungen hierfür nicht ausdrücklich die Geltung der Drei-Tage-Frist vor, jedoch kann man Kraft Analogieschlusses von einer dreitägigen Frist nach Ablauf des vorherigen Attestes ausgehen. Auch in diesen Fällen ist der Arbeitnehmer natürlich zudem verpflichtet, unverzüglich Mitteilung über die längere Arbeitsunfähigkeit zu machen!
Der Arbeitnehmer muss seiner Nachweispflicht auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes nachkommen, also die AU-Bescheinigung auch nach 6 Wochen noch weiter beim Arbeitgeber einreichen. Sollte der AN dieser Pflicht nicht nachkommen, kann dies nach vorherigen Abmahnungen zu einer Kündigung berechtigen (LAG Köln Urt. v. 16.08.2018 – 7 Sa 793/17). In dem vom LAG Köln entschiedenen Fall war die Kündigung jedoch trotz zweier einschlägiger Abmahnungen unverhältnismäßig, da der Arbeitgeber von der ihm durch Tarifvertrag eingeräumten Befugnis, den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers durch Anordnung einer betriebsärztlichen Untersuchung nachzuprüfen, keinen Gebrauch machte.
Dem Betriebsrat steht bei Krankenkontrollbesuchen durch den Arbeitgeber kein generelles Mitbestimmungsrecht zu (LAG Rheinland-Pfalz 29.06.2006 – 11 TaBV 43/05).
Im Entgeltfortzahlungsgesetz ist in § 5 geregelt, dass AU-Bescheinigungen an den Arbeitgeber zu übermitteln sind. In Bezug auf die Übermittlung der AU-Bescheinigung an die Krankenkasse regelt § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz Folgendes:
“Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.“
Kommt der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nicht nach, verletzt er zugleich eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, die eine Abmahnung begründet (Arbeitsgericht Erfurt 29.06.2017 – 6 Ca 376/17).
Die Nachweispflicht besteht auch bei einem Krankheitsfall im Ausland gegenüber dem Arbeitgeber und auch gegenüber der Krankenkasse. Somit ist die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige erweitert, da zwei Institutionen unverzüglich benachrichtigt werden müssen. Im Rahmen dieser Anzeigenpflicht muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort im Ausland in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitteilen. Die schnellstmögliche Art der Übermittlung liegt im Interesse des Arbeitgebers, weswegen er die dafür anfallenden Kosten, durch Nachweis des Arbeitnehmers, zu erstatten hat. Meldet sich ein Arbeitnehmer aber aus dem Ausland telefonisch krank und der Arbeitgeber fragt nicht nach der Urlaubsanschrift, kann aufgrund der unterlassenen Ortsmeldung eine Entgeltfortzahlung nicht verweigert werden (BAG 19.02.1997 – 5 AZR 83/96).
Die Rückkehr ins Inland, unabhängig von der Frage, ob der Arbeitnehmer noch arbeitsunfähig erkrankt ist oder nicht, muss der Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 2 S. 7 EFZG sowohl seinem Arbeitgeber als auch der Krankenkasse anzeigen.
(MW19.9.2019)
Rufen Sie uns an, schreiben Sie uns eine E-Mail, nutzen Sie unser Kontaktformular oder vereinbaren Sie einen Termin mit uns. Wir helfen – sofort!
Wittig Ünalp Nord Rechtsanwaltsgesellschaft mbH // Impressum // Datenschutz
Wittig Ünalp Nord Rechtsanwalts-GmbH
Impressum // Datenschutz