Arbeitgeber können Arbeitnehmer kündigen, auch wenn nur der dringende Verdacht einer Straftat vorliegt. Es muss nicht die Tat selbst bewiesen werden.
Das ist für viele neu.
Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen der Begehung einer strafbaren Handlung oder einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kündigen, ist zwischen der Tatkündigung und der Verdachtskündigung zu unterscheiden. Tat- und Verdachtskündigung beziehen sich zwar beide auf die Straftatbegehung bzw. eine schwerwiegende Pflichtverletzung. Trotzdem handelt es sich um zwei voneinander unabhängige eigenständige Kündigungsgründe, bei denen die Wirksamkeit der Kündigung vom Gericht nach jeweils eigenen Kriterien zu beurteilen ist.
I. Der Begriff der Verdachtskündigung
II. Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Verdachtskündigung
1. Verdacht der Straftatbegehung bzw. einer schwerwiegenden Pflichtverletzung
2. Vorliegen objektiver Tatsachen als Verdachtsgrundlage
3. Dringlichkeit des Verdachts
4. Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
5. Sachverhaltsaufklärung durch den Arbeitgeber vor der Verdachtskündigung
6. Einhaltung der 2-Wochen-Frist bei Ausspruch der Verdachtskündigung
7. Betriebsratsanhörung bei der Verdachtskündigung
III. Klagefrist bei einer Verdachtskündigung
Im Gegensatz zur Tatkündigung wird die Verdachtskündigung wegen des dringenden Verdachts der Straftatbegehung bzw. schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer und dem hiermit zusammenhängenden Vertrauensverlust beim Arbeitgeber ausgesprochen.
Die Verdachtskündigung kann als außerordentliche (fristlose) Kündigung oder als ordentliche (fristgemäße) Kündigung ausgesprochen werden. Die Verdachtskündigung knüpft an ein Verhalten des Arbeitnehmers (Begehung einer Straftat bzw. schwerwiegende Pflichtverletzung) an, wobei das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten anders als bei der Tatkündigung gerade nicht feststehen muss. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden nur diejenigen Voraussetzungen der Verdachtskündigung dargestellt, auf die bei der Verdachtskündigung das Hauptaugenmerk zu richten ist. Im Übrigen gelten die zur fristlosen Kündigung und verhaltensbedingten Kündigung gemachten Ausführungen entsprechend. Bei einer Verdachtskündigung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Der dringende Verdacht der Straftatbegehung bzw. einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann ein wichtiger Grund i. S: v. § 626 Abs. 1 BGB sein, der nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigt. Da es sich bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung um einen Fall der verhaltensbedingten Kündigung handelt, kann der Verdacht aber zugleich eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen rechtfertigen.
Der dringende Verdacht muss dabei auf objektive Tatsachen gestützt werden können. Die objektiven Tatsachen müssen von solcher Qualität sein, dass sie einen die beiderseitigen Interessen abwägenden Arbeitgeber vernünftigerweise zur Kündigung veranlassen. Bloße Verdächtigungen, die lediglich auf Vermutungen gestützt werden, reichen hingegen für eine Verdachtskündigung nicht aus.
Erforderlich ist, dass der Verdacht dringend ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Arbeitnehmer die Straftat oder Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat.
Die Verdachtsmomente gegen den Arbeitnehmer müssen so gravierend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Verdacht das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört hat oder der Verdacht zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Dem Arbeitgeber ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beispielsweise bei folgenden schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen unzumutbar:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet vor der Verdachtskündigung den Sachverhalt aufzuklären. Hierzu hat er alle ihm zumutbare Anstrengungen vorzunehmen. Dies beinhaltet insbesondere die Pflicht den Arbeitnehmer anzuhören um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu geben. Arbeitgeber sollten unbedingt darauf achten eine Verdachtskündigung nur nach vorherige Anhörung des Arbeitnehmers auszusprechen. Schließlich ist eine Verdachtskündigung unverhältnismäßig und damit unwirksam, wenn sich der Arbeitnehmer zu den Vorwürfen nicht äußern konnte. Eine Verdachtskündigung ohne vorherige Anhörung ist deshalb grundsätzlich unwirksam. Die Anhörung des Arbeitnehmers ist lediglich dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer deutlich signalisiert hat, dass er sich zu den Vorwürfen nicht äußern und nicht an der Aufklärung mitwirken wird. Sofern hieran Zweifel bestehen und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Arbeitnehmer möglicherweise doch äußert, sollte der Arbeitgeber vorsichtshalber eine Verdachtsanhörung des Arbeitnehmers durchführen. Die Frist für die Verdachtsanhörung des Arbeitnehmers beträgt eine Woche ab Kenntniserlangung von Anhaltspunkten aus denen sich der dringende Verdacht der Straftatbegehung bzw. der schwerwiegenden Pflichtverletzung ergibt.
Die zur fristlosen Kündigung gemachten Erläuterungen zur zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 S: 1 BGB gelten auch für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung wegen des Verdachts der Straftatbegehung bzw. einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ausgesprochen wird. Bei der Verdachtskündigung ist zu beachten, dass die Zweiwochenfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber vollständige und zuverlässige Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber zur Erlangung hinreichender Kenntnisse Aufklärungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Verdachtsanhörung des Arbeitnehmers, betreiben kann. Die Zweiwochenfrist wird daher nicht in Gang gesetzt bevor der Arbeitnehmer im Rahmen der Verdachtsanhörung Stellung genommen hat. Durch die Verdachtsanhörung beginnt die Zweiwochenfrist nicht zu laufen, da der Arbeitgeber erst durch die Einlassung des Arbeitnehmers ausreichend Kenntnis erlangt, um zu entscheiden, ob er kündigt oder von einer Kündigung absieht.
Ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats ist die Kündigung gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG indes unwirksam. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verdachtskündigung als außerordentliche oder ordentliche Kündigung ausgesprochen worden ist. Im Hinblick auf die mit 2 Wochen nicht gerade lang bemessene Frist zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung muss sich der Arbeitgeber mit der Betriebsratsanhörung beeilen, wenn er nicht riskieren will wegen einer verspäteten Anhörung des Betriebsrats die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu verpassen oder gezwungen zu sein, die außerordentliche Kündigung ohne vorherige Betriebsratsanhörung aussprechen zu müssen. Denn in beiden Fällen wäre die Kündigung unwirksam. Arbeitgeber müssen daher in ihre Überlegungen miteinbeziehen, dass der Betriebsrat bei der außerordentlichen Kündigung 3 Tage Zeit hat, um Bedenken gegen die Kündigung zu äußern. Erst danach kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen. Dies bedeutet, dass sich bei der außerordentlichen Kündigung die Zweiwochenfrist um dieses 3 Tage verkürzt. Hinzu kommt, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer innerhalb der Zweiwochenfrist zugehen muss, weshalb sich die Zweiwochenfrist ein weiteres Mal um die Postlaufzeit verkürzt.
Vermutet der Arbeitnehmer, dass die Kündigung wegen des Verdachts der Straftatbegehung oder des Verdachts der Begehung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ausgesprochen worden ist und hält er die Verdachtskündigung beispielsweise deswegen für unwirksam, weil er zu dem gegen ihn gerichteten Verdacht vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört worden ist oder liegen seiner Meinung nach andere Unwirksamkeitsgründe vor, dann hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit sich mit einer sog. Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen. Arbeitnehmer müssen unbedingt darauf achten, dass sie die Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Wird die Kündigung nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist angegriffen, dann wird die Kündigung wirksam und das Arbeitsverhältnis ist bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung sofort und bei einer ordentlichen (fristgerechten) Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet. Der Arbeitnehmer ist seinen Job dann los. Arbeitnehmer gehen daher auf Nummer sicher, wenn sie sofort nach Erhalt der Kündigung einen Anwalt aufsuchen und Kündigungsschutzklage einreichen lassen.
RÜ gez. 18.12.2015
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