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Die Krux mit den Urlaubstagen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.03.2022 – 9 AZR 353/21

Gewähren Arbeitgebende Urlaub ohne eine Regelung getroffen haben, ob zuerst der vertragliche Mehrurlaub oder der gesetzliche Mindesturlaub abgebaut wird, wird zunächst der gesetzliche Mindesturlaub abgebaut. Dies kann für Arbeitgebende vorteilhaft sein, wenn für den Verfall der Urlaubsansprüche unterschiedliche Fristen gelten!

Das Verfahren

Der schwerbehinderte Kläger war 24 Jahre bei der Beklagten beschäftigt, bevor er aufgrund einer Vorruhestandsregelung aus dem Arbeitsverhältnis ausschied. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sah vor, dass dem Kläger 30 und ab dem 40. Lebensjahr sogar 32 Tage Urlaub pro Kalenderjahr zustehen. Aufgrund der Schwerbehinderung kamen noch einmal weitere 5 Tage hinzu, sodass der Kläger zuletzt pro Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch von 37 Tagen hatte.

Die Beklagte gewährte dem Kläger im Kalenderjahr 2016 bis zum Monat September insgesamt 26 Tage Urlaub. Sodann war der Kläger bis Ende Juni 2017 krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ab dem 01.07.2017 war er aufgrund der Vorruhestandsvereinbarung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2020 freigestellt.

Der Kläger erhob eine Klage vor dem Arbeitsgericht Bielefeld und beantragte, die Beklagte zu der finanziellen Abgeltung von den nicht genommen 11 Urlaubstagen (6 Tage gesetzlicher Mindesturlaub und 5 Tage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen) aus dem Jahr 2016 zu verurteilen. Das Arbeitsgericht war der Meinung, der Kläger habe einen Anspruch, den nicht genommen Zusatzurlaub ausbezahlt zu bekommen. Der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers sei jedoch durch Urlaubsgewährung erfüllt worden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Klage insgesamt abgewiesen.

Das Urteil

Genau wie das Landesarbeitsgericht war auch das Bundesarbeitsgericht der Ansicht, dass dem Kläger der finanzielle Abgeltungsanspruch für 5 Tage Zusatzurlaub aus 2016 nicht zustehe. In Bezug auf den vermeintlichen Anspruch auf Abgeltung der 6 Tage Mindesturlaub war das Urteil des Landesarbeitsgerichts bereits rechtskräftig geworden, sodass das Bundesarbeitsgericht diesbezüglich nicht mehr zu entscheiden hatte.

Der Anspruch des Klägers auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sei durch Erfüllung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses vollständig erloschen. Mit der bezahlten Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht an 26 Tagen im Jahr 2016 habe die Beklagte zuerst die gesetzlich begründeten Urlaubsansprüche (20 Tage), dann den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte (5 Tage) und erst dann den tarifvertraglichen Mehrurlaub (1 Tag) getilgt.

Das Bundesarbeitsgericht stützte sein Ergebnis auf die Überlegung, welcher Zweck mit der Urlaubsgewährung verfolgt werde. So solle nach dem hypothetischen Willen der Parteien mit den ersten gewährten Urlaubstagen dem unabdingbaren Grunderholungsbedürfnis des Arbeitnehmers und den Mindestanforderungen an den Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung nachgekommen werden, bevor der durch Arbeits- oder Tarifvertrag zusätzlich eingeräumte Urlaub gewährt werde. Anderenfalls wäre die Konsequenz, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer nicht seinen gesetzlichen Mindesturlaub erhalten hätte, obwohl ihm mit 26 Tagen Urlaub mehr als der gesetzliche Mindesturlaub und der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zusammen gewährt worden sei.

Hinweise für die Praxis

Das vorliegende Urteil ist aus Arbeitgebersicht äußerst erfreulich. Weil die Vertragsparteien den Zusatzurlaub frei gestalten können, ist es insbesondere auch möglich, eine Regelung zu dessen Verfall zu treffen, die gegenüber dem gesetzlichen Mindesturlaub eine wesentlich geringere Sicherheit bietet. Während für Letzteren ein recht langer Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorgesehen ist, hatte beispielsweise die Beklagte in dem vorliegenden Fall für den Verfall des tarifvertraglichen Zusatzurlaubs den 30.06. des Folgejahres, mithin einen Zeitraum von lediglich 6 Monaten, vorgesehen.

Das Urteil zeigt jedoch auch, wie wichtig die „richtige“ Gestaltung von Arbeits- und Tarifverträgen ist. Denn nur dann, wenn Arbeitgeber*innen von ihren Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen, können sie ihre (finanziellen) Risiken minimieren.

Weitere Informationen zu dem Thema „Urlaub“ erhalten Sie in unserem "Ratgeber Arbeitsrecht".

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