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Ein menschenunwürdiger Arbeitsplatz – Schimmel, Kälte und Mäusekot

Thüringer Landesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2022 – 4 Sa 212/21

„Die Beklagte hat die Klägerin menschenunwürdig in einem kalten, verdreckten und gesundheitsgefährdenden, weil verschimmelten Keller beschäftigt.“

Aufgrund dieser Feststellung stand für das Thüringer Landesarbeitsgericht fest, dass die Klägerin nicht fristlos gekündigt werden konnte.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 01.02.2003 bei der Beklagten als Ökonomin beschäftigt. Nachdem die Klägerin einen ersten Kündigungsschutzrechtsstreit mit der Beklagten gewonnen hatte, wollte Sie an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Die Klägerin wurde jedoch nicht an ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz beschäftigt. Stattdessen trug man ihr Archivierungsarbeiten auf, die Sie im Keller durchführen musste. Dort herrschte eine Temperatur von nur 11° Celsius. Darüber hinaus waren dort zahlreiche Mäuse anzutreffen, die natürlich auch ihren Kot an dem „neuen Arbeitsplatz“ der Klägerin hinterließen. Von dem Schimmelbefall mal ganz zu schweigen...

Die Klägerin erhielt zudem ein Büro zugewiesen, von dem aus Sie schwere Akten zum Kellerarchiv schleppen musste. Und damit nicht genug: Obwohl es einen weniger anstrengen Weg von dem Büro in das Kellerarchiv gegeben hätte, musste die Klägerin über den Hof gehen, wo sie bei ihrer Plackerei von den Kolleg*innen beobachtet werden konnte.

Nachdem die Klägerin eine weitere ordentliche Kündigung erhalten hatte, gegen die sie sich wegen der Arbeitsbedingungen nicht zur Wehr setzte, wurde sie von zwei Kolleginnen während bei einem Telefonat belauscht. Ihr wurde unter anderem vorgeworfen, sie hätte sich über den Geschäftsführer der Beklagten dahingehend geäußert, dass „der Flur stinke, nachdem er diesen beschritten habe“. Des Weiteren habe sie eine Kollegin als "fett“ und eine zweite als „blöd“ bezeichnet. Eine weitere Kollegin „latsche und pfeife wie ein Kerl über den Flur.“ Zwar bestritt die Klägerin die Vorwürfe. Die Beklagte kündigte die Klägerin dennoch fristlos.

Das Urteil

Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Nordhausen mit Ihrer Kündigungsschutzklage Erfolg. Nachdem die Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, entschied das Thüringer Landesarbeitsgericht ebenfalls zugunsten der Klägerin und unterstellte dabei sogar, dass die der Klägerin unterstellten Vorwürfe zutreffen seien!

Die groben Beleidigungen gegenüber dem Beklagtengeschäftsführer sowie der Kolleginnen könnten zwar grundsätzlich geeignet sein, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben, so das Landesarbeitsgericht. Doch selbst dann, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt werde, dass die Klägerin die ihr vorgeworfenen Äußerungen getätigt habe, seien die Verfehlungen nicht so schwer, als dass sie ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung in diesem Einzelfall schon für den Ausspruch einer Kündigung taugten:

„Die Klägerin hat diese Situation als erniedrigend und schikanös empfunden und fühlte sich von einigen Kollegen schlicht „ausgelacht. In einer solchen Situation kann nicht ausgeschlossen werden und ist eher naheliegend, dass einem/einer Arbeitnehmer*in der Blick dafür verstellt ist, welche Bedeutung es hat, wenn er/sie sich in der behaupteten Art gegenüber einer ehemaligen Kollegin über die Arbeit, die Vorgesetzten und Kolleg*innen äußert. Aufgrund dieser besonderen Situation steht nicht mit der für eine Entscheidungsfindung erforderlichen Sicherheit fest, dass eine Abmahnung nicht den gewünschten Effekt gezeitigt hätte.

Die als Beleidigung apostrophierten Äußerungen der Klägerin waren auch nicht derart ungeheuerlich und schwerwiegend, dass allein deshalb der Beklagten die Weiterbeschäftigung unzumutbar gewesen wäre. Dabei ist auch das Verhalten der Beklagten zu berücksichtigen. Diese hat die Klägerin menschenunwürdig in einem kalten, verdreckten und gesundheitsgefährdenden, weil verschimmelten Keller beschäftigt. Obschon das keine Rechtfertigung für Beleidigungen ist, stellt es eine Zumutung dar. Entsprechend erhöht ist das Maß an Zumutbaren, welches die Beklagte hinzunehmen hat.“

Hinweise für die Praxis

Ob ein Fehlverhalten des/der Beschäftigten eine Kündigung rechtfertigt oder ob zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden sollte, ist stets eine Frage des Einzelfalls und nicht „nur“ von der rechtlichen Beurteilung, sondern auch von der Prozesstaktik und der jeweiligen Zielsetzung abhängig.

Die Beklagte hatte im vorliegenden Fall jedenfalls enormes Glück, denn die Klägerin war augenscheinlich ­ genau wie die Beklagte ­ nicht gut beraten. Sie hätte nämlich eine Vielzahl an (finanziellen) Ansprüchen geltend machen können, Schadensersatzanspruch, Schmerzensgeld, Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung etc., um nur einige zu nennen. Die Beklagte ist durch ihr Verhalten im Ergebnis ein enormes und insbesondere unnötiges finanzielles Risiko eingegangen.

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