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Landesarbeitsgericht Sachsen, 9 Sa 250/21
Selbst „kleine Fehler“ können zu einer wirksamen Kündigung führen. Insbesondere, wenn diese kleinen Fehler zuvor abgemahnt wurden. Eine Abmahnung muss jedoch ebenso wie eine Kündigung verhältnismäßig sein.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Kreditsachbearbeiterin beschäftigt gewesen. Bei der Beklagten galt eine durchreglementierte „clean desk policy“, welche der Klägerin auch bekannt war.
Trotzdem kam es im Verlauf des Arbeitsverhältnisses dazu, dass die Klägerin mehrfach gegen die Vorgaben der clean desk policy verstieß. Zunächst wurden der Klägerin gegenüber wegen zweier Pflichtverletzungen Ermahnungen ausgesprochen. Beide Male hatte die Klägerin gegen betriebliche Vorgaben zur Sachbearbeitung beziehungsweise gegen Vorgaben ihrer Vorgesetzten verstoßen.
Keine zwei Monate nach der zweiten Ermahnung kam es zu einer erneuten Pflichtverletzung. Die Klägerin meldete sich nicht ordnungsgemäß aus den IT-Systemen ab und die Gefahr eines unberechtigten Datenzugriff bestand. Diesmal wurde die Klägerin von der Beklagten abgemahnt.
Und wieder keine zwei Monate später wurden der Klägerin drei Abmahnungen wegen diversen Verstößen gegen die clean desk police überreicht. So hatte die Klägerin unter anderem sensible Schreiben ungesichert auf ihrem Schreibtisch liegen lassen, sich erneut nicht korrekt aus den IT-Systemen abgemeldet und schließlich einen Vorgang erneut entgegen der betrieblichen Vorgaben bearbeitet.
Schließlich mahnte die Beklagte die Klägerin einen weiteren Monat später ein weiteres Mal ab, da diese insgesamt sechs Mal Arbeitsaufgaben falsch erfasst hatte. So erfasste die Klägerin manche Arbeitsaufträge doppelt – teilweise sogar dreifach – und zudem auch falsch.
Als im Rahmen eines Umzugs der Beklagten mit Zustimmung der zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankten Klägerin deren Schreibtisch verrückt werden sollte, wurde festgestellt, dass die Schubladen des Schreibtisches nicht abgeschlossen waren. In den Schubladen befanden sich erneut sensible Kundendaten, die somit nicht ausreichend gesichert waren.
Die Beklagte kündigte wegen dieser erneuten Pflichtverletzung das Arbeitsverhältnis ordentlich. Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin eine Kündigungsschutzklage und gewann in erster Instanz.
Für das Arbeitsgericht Leipzig waren die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht gravierend genug, um eine negative Prognose anzustellen, wonach es zu neuen Pflichtverletzungen kommen würde. Zwar habe die Klägerin eine einschlägige Abmahnung erhalten, die Klägerin habe aber nunmehr gegen die Pflicht zum Abschließen des Schreibtisches verstoßen und dies auch nur fahrlässig. Eine Abmahnung der Verletzung dieser speziellen Pflicht zur Datensicherung hätte zu einer Verhaltensänderung aufseiten der Klägerin führen können. Durch diese „fehlende“ Abmahnung sei die ausgesprochene Kündigung selbst unverhältnismäßig und damit unwirksam geworden.
Das Landesarbeitsgericht Sachsen fand in seiner Entscheidung deutliche Worte zu den Pflichtverletzungen der Klägerin und den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Sämtliche mit Abmahnungen und Ermahnungen sanktionierten Pflichtverletzungen waren für die Kündigung von Bedeutung:
„Wie vorstehend dargestellt, handelt es sich in der Summe um erhebliche Pflichtverletzungen, die auch zu Ablaufstörungen bei der Beklagten geführt haben.“
Und weiter:
„Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, weitere Abmahnungen auszusprechen, die keine Verbesserungen zeigen. Sie muss im Gegenteil aufpassen, dass aufgrund der Vielzahl die Warnfunktion nicht verloren geht.“
Für das Landesarbeitsgericht waren die ausgesprochenen Abmahnungen im vorliegenden Sachverhalt schließlich auch verhältnismäßig. Auch bei einem erstmaligem und nur leichtem Pflichtverstoß kann man als Arbeitgeber*in eine Abmahnung aussprechen. In Ausnahmefällen kann eine Abmahnung jedoch unverhältnismäßig sein, was im vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht der Fall war.
Es gibt in der Tat Sachverhalte, bei denen eine Pflichtverletzung nicht zu einer Abmahnung oder gar Kündigung führen kann, da dies unverhältnismäßig wäre. In diesem Zuge ist etwa auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bamberg vom 23.03.2016 (2 Ca 402/15) zu verweisen. Im dortigen Sachverhalt wurde eine Abmahnung wegen einer Verspätung von einer Sekunde ausgesprochen.
Wie das Arbeitsgericht Leipzig im vorliegenden Sachverhalt nach mehreren Ermahnungen und Abmahnungen aufgrund sogar unstreitiger Pflichtverletzungen der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine weitere Abmahnung eine Besserung bei der Klägerin hervorgerufen hätte, können wir uns nicht erklären. Die Klägerin hat teilweise massive Pflichtverletzungen im Hinblick auf die Datensicherheit begangen, die dann auch folgerichtig abgemahnt wurden.
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