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AU-Bescheinigung

Die AU-Bescheinigung ist extrem wichtig, um arbeitsrechtliche Probleme zu vermeiden. Wer sich hier falsch verhält riskiert den Arbeitsplatz. Achtung: Neue Gesetzeslage ist zu beachten.

I Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Arbeitsunfähigkeit führt nicht immer zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Warum nicht? Schauen Sie sich unser Video zum hohen Beweiswert der AU Bescheinigung an.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dient dazu, dem Arbeitgeber gegenüber nachzuweisen, dass der AN nicht nur krank, sondern auch arbeitsunfähig ist. Der durch Krankmeldung ausfallende AN muss seine Arbeitsunfähigkeit – zumindest, wenn die Erkrankung länger als 3 Tage andauert – dem AG nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz nachweisen. Der AG ist sogar berechtigt, von dem AN schon ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit einen Nachweis darüber anzufordern.

I.1. Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Hierzu dient die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die ordnungsgemäß ausgestellte AU-Bescheinigung ist der gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtige Beweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (BAG 01.10.1997 – 5 AZR 726/96).

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird ausschließlich vom behandelnden Arzt ausgestellt und weist den Beginn und die voraussichtliche Dauer der AU aus. Zudem ist eine Angabe zu machen, wann die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde und ob es sich um eine Erst- oder Folgebescheinigung handelt.

I.2. Richtlinie zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Bezüglich der Erteilung eines ärztlichen Krankenscheins gibt es Richtlinien, an die sich die behandelnden Ärzte zu halten haben. In der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses heißt es in § 2 Abs. 5:

„Die Beurteilung der AU setzt die Befragung der oder des Versicherten durch Ärztin oder den Arzt zur aktuell ausgeübten Tätigkeit und den damit verbundenen Anforderungen und Belastungen voraus. Das Ergebnis der Befragung ist bei der Beurteilung von Grund und Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen. Zwischen der Krankheit und der dadurch bedingten Unfähigkeit zur Fortsetzung der ausgeübten Tätigkeit muss ein kausaler Zusammenhang erkennbar sein. (…)“

Problem: Nur wenige Ärzte halten sich an diese Richtlinie!

 

Problem: Nur wenige Ärzte halten sich an diese Richtlinie!

I.3. Tätigkeit/Beruf des AN wichtig für die Erstellung einer AU-Bescheinigung

Sieht der Arbeitsvertrag vor, dass der AG dem AN vorübergehend eine andere als die ausgeübte Tätigkeit zuweisen kann, so liegt keine AU vor, wenn die Erkrankung den AN nicht daran hindert, den anderen Aufgaben nachzukommen. Auch das hat der anordnende Arzt zu bedenken und zu erfragen, bevor er eine AU-Bescheinigung ausstellt. Eine solche Ermittlung findet in der Praxis kaum statt, zumal der AN selbst oft gar nicht weiß, welche anderweitigen Beschäftigungen ihm von dem AG zugewiesen werden könnten, und umgekehrt der AG zwar Kenntnis von den betrieblichen Einsatzmöglichkeiten, nicht aber vom Gesundheitszustand oder Grund der Krankheit hat. Um diesen Missstand zu beseitigen, empfiehlt es sich als AG in bestimmten Fällen mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufzunehmen und ihm die betrieblichen Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen und AN sollten ihren Arzt immer fragen, welche Tätigkeiten noch ausgeübt werden können.

I.4. Vordatieren der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Ferner soll der Arzt die AU für eine vor der ersten Inanspruchnahme des Arztes liegende Zeit grundsätzlich (i. S. von „Ausnahmen sind möglich!“) nicht bescheinigen. Nur ausnahmsweise ist eine Rückdatierung des Beginns der AU auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag oder eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit zulässig. Gemäß der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ist dies jedoch nur bis zu drei Tage zulässig.

I.5. Schadensersatzpflicht des Arztes bei falscher AU-Bescheinigung

Insofern sieht § 106 Abs. 3a SGB V ausdrücklich eine Schadenersatzpflicht des Arztes gegenüber dem Arbeitgeber und der Krankenkasse vor, wenn dieser die Arbeitsunfähigkeit fahrlässig oder vorsätzlich attestiert, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Die wissentliche Ausstellung falscher Bescheinigungen erfüllt zudem den Straftatbestand des § 278 StGB (zur Schadenersatzpflicht LG Darmstadt 19.09.1990 – 9 O 21/89). Werden die Krankenkassen von Arbeitgebern über deren Zweifel informiert, gerät der Arzt in den Fokus der Krankenkasse.

I.6. Welcher Arzt darf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen?

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darf grundsätzlich nur von Vertragsärzten erstellt werden. Krankenhausärzte hingegen dürfen eine Bescheinigung lediglich unmittelbar nach der Entlassung des Arbeitnehmers aus dem Krankenhaus für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen bescheinigen.

I.7. Zeitraum einer AU-Bescheinigung

Ausweislich der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie sollen Symptome spätestens nach sieben Tagen durch eine Diagnose oder Verdachtsdiagnose ausgetauscht werden. Eine Arbeitsunfähigkeit soll zudem nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden. Nur in Ausnahmefällen ist eine Bescheinigung von bis zu einem Monat möglich. Folgebescheinigungen sollen spätestens am Tag nach Ablauf der vorherigen Bescheinigung erfolgen.

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II Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Die klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform, der sog. „gelbe Schein“, soll im Zuge der Digitalisierung durch eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) abgelöst werden. Hintergrund ist das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz, welches das Ziel verfolgt, bürokratiebedingte Kosten für Bürger und Unternehmen zu reduzieren. Entsprechend den Aussagen der Bundesregierung beläuft sich das Einsparungspotenzial in diesen Fällen auf circa 550 Mio. Euro.

In Zukunft soll das Verfahren der Meldung und des Nachweises der Arbeitsunfähigkeit daher wie folgt ausgestaltet sein:

Der gesetzlich versicherte Arbeitnehmer sucht einen niedergelassenen Arzt auf. Nach eingehender Untersuchung attestiert der behandelnde Arzt dem Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeit. Es wird sodann eine eAU generiert, die über einen Kommunikationsserver an die Krankenkasse des Arbeitnehmers weitergeleitet wird. Dort werden die Daten verarbeitet und auf einem weiteren Kommunikationsserver abgelegt. Der Arbeitgeber hat sodann nun die Möglichkeit bzw. die Pflicht, diese Daten bei der Krankenkasse anzufragen und erhält dann die von dem behandelnden Arzt generierte eAU, welche die üblichen Bestandteile (Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit, Kennzeichnung als Erst- oder Folgeerkrankung und Ausstellungsdatum) der bisherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform enthält. Die eAU ist von dem ausstellenden Arzt elektronisch zu signieren.

Der Arbeitnehmer muss bei dem Arbeitgeber nach der erfolgten Umstellung zukünftig keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr einreichen. Die Pflicht zur Anzeige der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber bleibt jedoch weiterhin bestehen.

Der zuvor dargestellte Prozess erfordert eine Änderung der Gesetzeslage

Am 01.01.2022 tritt zum einen die neue Regelung des § 109 SGB IV in Kraft, in der es wie folgt, heißt:

1.

I. Die Krankenkasse hat nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die insbesondere die folgenden Daten enthält:

  • den Namen des Beschäftigten,
  • den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
  • das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und
  • die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung.

II. In den Fällen, in denen die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches für einen geringfügig beschäftigten Versicherten erhält, hat sie die Daten nach Satz 1 am Tag des Eingangs für die zuständige Einzugsstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Abruf bereitzustellen.

III. Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See hat nach Anforderung durch den Arbeitgeber diese Daten für den Arbeitgeber bei der zuständigen Krankenkasse abzurufen und unverzüglich an den Arbeitgeber weiterzuleiten.

IV. Beauftragt der Arbeitgeber einen Dritten mit dem Abruf, darf dieser die Daten verarbeiten.

V. Unberührt bleibt die Verpflichtung des behandelnden Arztes, dem Versicherten eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit nach § 73 Absatz 2 Satz 1 Nummer 9 des Fünften Buches in Verbindung mit § 5 Absatz 1a Satz 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes auszuhändigen.

2.

I. Stellt die Krankenkasse auf Grundlage der Angaben zur Diagnose in den Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches und auf Grundlage von weiteren ihr vorliegenden Daten fest, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten für einen Arbeitgeber ausläuft, so übermittelt sie dem betroffenen Arbeitgeber eine Meldung mit den Angaben über die für ihn relevanten Vorerkrankungszeiten.II. Satz 1 gilt nicht für geringfügig Beschäftigte.

3.

Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Beschäftigte nach den §§ 8a und 12.

4.

I. Das Nähere zu den Datensätzen und zum Verfahren regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Grundsätzen.II. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist vor der Genehmigung anzuhören.

Aber auch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist an die geänderte Handhabung anzupassen.

 

In § 5 EFZG wird die nachfolgende Regelung ab 01.01.2022 ergänzt:

„(1a) 1Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt nicht für Arbeitnehmer, die Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse sind. 2Diese sind verpflichtet, zu den in Absatz 1 Satz 2 bis 4 genannten Zeitpunkten das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 aushändigen zu lassen. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht  1. für Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben (§ 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), und  2. in Fällen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.“

Die Vorlagepflicht des Arbeitnehmers entfällt damit. Der Arbeitnehmer erhält jedoch weiterhin eine von dem behandelnden Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der Arbeitgeber trägt nun die Initiativpflicht.

Bereits jetzt werden von behandelnden Ärzten eAU ausgestellt. Der Arzt ist jedoch weiterhin verpflichtet, übergangsweise auch noch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in Papierform auszustellen, welche der Arbeitnehmer sodann weiterhin bei dem Arbeitgeber einzureichen hat.

Durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurden Vertragsärzte dazu verpflichtet, die Daten der AU bereits ab dem 01.01.2021 elektronisch an die Krankenkassen zu übermitteln. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie war es jedoch nicht möglich, die dafür erforderliche Technologie flächendeckend einzurichten, sodass nunmehr hiermit ab dem 01.10.2021 zu rechnen ist.

Ab dem 01.07.2022 soll sodann auch die Weiterleitung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an den Arbeitgeber nur noch digital erfolgen. Auch diese Umsetzung sollte bereits ab dem 01.01.2022 stattfinden und wurde aufgrund der Corona-Pandemie verschoben.

Festzuhalten bleibt nach derzeitigem Stand, dass der behandelnde Vertragsarzt derzeit weiterhin verpflichtet ist zumindest auch eine Bescheinigung in Papierform auszuhändigen, welche der Arbeitnehmer sodann dem Arbeitgeber vorzulegen hat. Hierauf sollten Sie als Arbeitgeber auch weiterhin bestehen, um etwaigen Missbräuchen vorzubeugen. Sollten Sie Zweifel an der Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung haben, kommen Sie gerne auf uns zu, wir können Ihnen verschiedene Vorgehensweisen aufzeigen.

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III Beweiswert von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Der ärztliche Krankenschein ist eine Privaturkunde. Allerdings ist es nicht wie bei anderen Urkunden, dass die Richtigkeit gesetzlich vermutet wird. Jedoch spricht für die inhaltliche Richtigkeit des ärztlichen Attests der Beweis des ersten Anscheins (BAG 19.02.1997 – 5 AZR 83/96).

Der Tatrichter, mithin der Richter beim Arbeitsgericht, kann deshalb im Regelfall den Beweis der Arbeitsunfähigkeit mit der Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erbracht ansehen (BAG 01.10.1997 – 5 AZR 726/96).

Einziger Trost für den Arbeitgeber ist, dass der Beweis des ersten Anscheins nur zugunsten derjenigen AU-Bescheinigungen gilt, die unter Beachtung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien ausgestellt worden sind. Dass dies nicht der Fall ist, lässt sich in der Regel nur schwer nach- und beweisen.

Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, den Beweiswert des Krankenscheins zu erschüttern. Dazu muss der AG den Beweis des ersten Anscheins nicht vollumfänglich widerlegen, es reicht aus, wenn er Tatsachen vortragen kann, die den Beweis des ersten Anscheins erschüttern.

III.1. Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinig

Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert, wenn die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben.

Dies hat dann zur Folge, dass die volle Beweislast für die Arbeitsunfähigkeit wieder beim AN liegt. Bei einem zunächst nicht näher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbot ist der Beweiswert erschüttert, wenn der AN trotz Aufforderung des Arbeitgebers keine ärztliche Bescheinigung darüber beibringt, von welchen konkreten Arbeitsbedingungen der Arzt beim Ausspruch des Beschäftigungsverbots ausgegangen ist und welche Einsatzeinschränkungen bestehen. Denn nur bei Kenntnis dieser Umstände kann der Arbeitgeber prüfen, ob er einem AN andere zumutbare Arbeitsmöglichkeiten zuweist, die dem Beschäftigungsverbot nicht entgegenstehen (BAG 07.11.2007 – 5 AZR 883/06).

Folgende Fallgestaltungen erschüttern die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung:

  • Erteilung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Untersuchung oder nur nach telefonischer Rücksprache (BAG 11.08.1976, BB 77, 119)
  • Ankündigung einer Krankmeldung durch den Arbeitnehmer (BAG 04.10.1978 – 5 AZR 326/77)
  • Krankmeldung nach Ablehnung eines Urlaubsantrags im beantragten Urlaubszeitraum
  • wiederholte Krankmeldung von ausländischen Arbeitnehmern jeweils im Anschluss an den Heimaturlaub
  • Umbuchung eines Urlaubsrückflugs vor Krankschreibung auf den Tag am Ende der Krankschreibung (LAG Hamm 08.06.2005 – 18 Sa 1962/04)
  • wiederholte gemeinsame und gleichzeitige Krankschreibung von Ehegatten nach Urlaubsende
  • Nichtbefolgung einer Vorladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung oder durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen
  • strapaziöse sportliche Betätigung während der Krankheit
  • mit einer Arbeitsunfähigkeit unvereinbare Freizeitaktivität (Skiurlaub eines Gutachters des medizinischen Dienstes, der wegen Hirnhautentzündung arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, BAG 02.06.2006 – 2 AZR 53/05)
  • Arbeit außerhalb der Arbeitsstelle, zum Beispiel in der eigenen Nebenerwerbslandwirtschaft oder beim Bau des eigenen Hauses
  • rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit über einen Zeitraum von mehr als zwei Tagen (LAG Köln – Urteil vom 21.11.2013 – 4 Sa 588/03) – Die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie erachtet eine Rückdatierung von bis zu drei Tagen als zulässig (siehe oben)!

III.2. Keine Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Nicht ausreichend für die Erschütterung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind grundsätzlich:

  • Abwesenheit des Arbeitnehmers von seiner Wohnung
  • Spaziergänge oder leichte sportliche Betätigung
  • Besorgung- oder Einkaufsgänge des Arbeitnehmers
  • Treffen mit Freunden und dabei Nachgehen eines gemeinsamen Hobbys

III.3. Folge der erfolgreichen Erschütterung des Beweiswertes

Ist die Beweislast der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, obliegt sodann dem AN wieder der volle Beweis für die behauptete Arbeitsunfähigkeit. In diesem Beweis kann der AN vor Gericht durch detaillierten Tatsachenvortrag, die Benennung des Arztes als Zeugen sowie dessen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht antreten (BAG 07.12.1995 – 2 AZR 849/94).

Der Arzt kann sodann einzeln nach Diagnose, Krankheitsverlauf und Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des konkreten Arbeitsplatzes befragt werden. Insbesondere ist der Arzt mit den Umständen, die zur Erschütterung des Beweiswertes der AU-Bescheinigung geführt haben, zu konfrontieren und zu befragen, ob er den AN auch bei Kenntnis dieser Umstände krankgeschrieben hätte.

Problem Arzt

In der Regel wird ein Arzt seine gestellte Diagnose nicht infrage stellen, sondern diese mit medizinischen Begriffen und Ausführungen untermauern, sodass er nur in Ausnahmefällen widersprechen wird. Aber die Krankheitsdiagnose selbst ist häufig angreifbar. Wenn z. B. ein AN seinem Arzt sagt, er habe einen Magen-Darminfekt und Durchfall dann wird der Arzt den AN eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Das allein deshalb, da er seinem Patienten glauben darf.

Ist aber der hohe Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert (er hat im Fitnessstudio Sport betrieben) dann wird der Arzt vor Gericht dahin gehend befragt, wie er zu der Diagnose gekommen ist. Hat er keine Untersuchungen vorgenommen und keine Befunde erhoben, dann erfolgte die Diagnose allein aufgrund der Tatsache, dass der Arzt seinem Patienten geglaubt hat. Das reicht für den Vollbeweis einer Arbeitsunfähigkeit nicht aus und der AN wird seinen Prozess entsprechend verlieren. Denn nach der Erschütterung des hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat der AN die volle Beweislast dafür, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt ist.

Bleiben also berechtigte Zweifel, gehen diese im Rahmen der Entgeltfortzahlung zulasten des Arbeitnehmers. Der Nachweis kann aber auch durch andere Beweismittel erfolgen.

III.4. Kontrollmöglichkeit des Arbeitgebers

Für den Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, von der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des med. Dienstes der Krankenkassen zur Überprüfung von begründeten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen. Die Effektivität dieser Kontrollmöglichkeit leidet darunter, dass die Krankenkasse diesem Verlangen oft erst nachkommt, wenn der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum schon abgelaufen ist. Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass die Prüfung der Krankenkasse unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen hat. Nach der gesetzlichen Vorschrift ist weiter festgelegt, dass Zweifel an der Richtigkeit von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen insbesondere dadurch begründet werden, dass der Arbeitnehmer auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig ist oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder Ende einer Woche fällt.

Von Bedeutung ist ferner § 275 Abs. 1b SGB V, wonach der medizinische Dienst stichprobenartig die Richtigkeit von AU-Bescheinigungen zu überprüfen hat. Diese Kontrollmöglichkeit versagt allerdings, wenn der AN in einer privaten Krankenkasse versichert ist, weil dann diese gesetzliche Regelung keine Anwendung findet.

III.5. Ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Soweit ein Arbeitnehmer im Ausland erkrankt, muss er die Arbeitsunfähigkeit durch eine ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen. Deren Richtigkeit kann nicht pauschal angezweifelt werden.

Der AN muss aber nachweisen, dass der Arzt die für das deutsche Entgeltfortzahlungsrecht geltende Unterscheidung zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit kannte und beachtet hat. Dies gilt insbesondere für Ärzte im Ausland außerhalb der EU.

III.6. Arbeiten trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?

Viele AN kommen in das Büro, obwohl sie nicht ganz fit sind. So gibt es Fälle, in denen die AN zwar arbeitsunfähig krankgeschrieben, aber dennoch in der Lage sind, ihren Job auszuüben.

Insoweit gilt, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Arbeitsverbot darstellt, sondern lediglich eine vom Arzt ausgestellte Prognose über den zu erwartenden Verlauf der Arbeitsunfähigkeit. Wenn ein AN sich trotz einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder gesund und arbeitsfähig fühlt, so darf er prinzipiell auch arbeiten.

Der Arbeitgeber, der einen arbeitsunfähigen AN einsetzt, kann jedoch gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen und sich aus diesem Grunde schadensersatzpflichtig machen. Erscheint ein offiziell noch arbeitsunfähiger AN vorzeitig wieder zur Arbeit, sollte der Arbeitgeber sich vergewissern, ob der Mitarbeiter tatsächlich einen arbeitsfähigen Eindruck macht. Wenn er dem nachgekommen ist, so muss er keine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsfähigkeit fordern, es genügt die Erklärung des Arbeitnehmers. Falls trotz der Erklärung des Arbeitnehmers, dass er arbeitsfähig sei, Umstände die Vermutung nahelegen, dass er noch nicht wieder arbeitsfähig ist, muss der Arbeitgeber notfalls im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Betriebsarzt einschalten oder anderweitig den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers überprüfen lassen. In diesem Fall kann eine ärztliche Bestätigung erforderlich sein, die den AN für arbeitsfähig erklärt.

Kommt Beispielsweise der Lkw-Fahrer mit einem eingegipsten Arm und trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Arbeit, da er der Ansicht ist, er könne den Lkw auch mit nur einem Arm steuern, so kann sich der Arbeitgeber – der von diesen Umständen weiß und den AN dennoch arbeiten lässt – bei einem möglichen Arbeitsunfall schadensersatzpflichtig machen.

Aber auch den AN trifft eine Fürsorgepflicht. Ist absehbar, dass der AN mit einer vorzeitigen Arbeitsaufnahme seine Genesung gefährdet oder gar den Krankheitszustand verschlimmert, hat er unter Umständen die Verpflichtung die Dauer der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit abzuwarten.

(MW19.9.19)

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