Für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung braucht der Arbeitgeber eine Vertragsverletzung. Ohne Vertragsverletzung keine verhaltensbedingte Kündigung. Was das ist, steht hier.
Hat der Arbeitgeber die verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen, dann muss er nachweisen, dass er einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund hat. Die Wirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung wird immer in 3 Schritten geprüft:
1) Vertragsverletzung
2) Abmahnung
3) Interessenabwägung
Grundsätzlich kommt jede arbeitsvertragliche Pflichtverletzung in Betracht. Nicht ausreichend ist hingegen die außerdienstliche Verhaltensweise des Arbeitnehmers. Wer als Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bei einem Tennisspiel besiegt, kann deshalb nicht gekündigt (oder abgemahnt) werden. Zunächst ist also jegliches außerdienstliche Verhalten nicht geeignet, um eine verhaltensbedingte Kündigung zu begründen.
Ob eine Arbeitsvertragsverletzung vorliegt oder nicht hängt sehr von dem abgeschlossenen Arbeitsvertrag ab.
Ist im Arbeitsvertrag die private E-Mail-Nutzung während der Arbeitszeit erlaubt, kann der Arbeitgeber nicht kündigen, wenn private E-Mails versandt und empfangen werden. Ist privates Surfen im Internet erlaubt, kann der Arbeitgeber nicht kündigen, wenn der Arbeitnehmer privat im Internet surft. Zunächst ist bei einer verhaltensbedingten Kündigung deshalb zu prüfen, ob das vorgeworfene Verhalten arbeitsvertraglich geregelt wurde oder nicht.
Selbst wenn ausdrücklich nichts im schriftlichen Arbeitsvertrag geregelt ist, kann der Arbeitnehmer natürlich nicht tun und lassen, was er will. Er schuldet vertragsgerechte Arbeitsleistung und ein nach Treu und Glauben angemessenes Verhalten. Erfüllt er seinen Arbeitsvertrag fehlerhaft, so kann das ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Kommt er zu spät zur Arbeit, kann das ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Gleiches gilt für Arbeitszeitbetrug oder Diebstahl von Firmeneigentum oder sonstige Vermögensdelikten. Das Lästern über den Arbeitgeber oder wichtige Kunden in Facebook oder sonstigen sozialen Netzwerken können verhaltensbedingte Kündigungen nach sich ziehen. Selbstverständlich sind auch Gewaltdelikte innerhalb der Arbeitszeit Grund für verhaltensbedingte Kündigungen. Auch das Beleidigen von Kunden, Vorgesetzten oder Geschäftspartnern kann verhaltensbedingte Kündigungen nach sich ziehen. All dies sind Arbeitsvertragsverletzungen, die grundsätzlich geeignet sind, eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen.
Ebenso müssen Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers befolgt werden, die dieser im Rahmen des Arbeitsvertrages geben darf. Das sogenannte Direktionsrecht des Arbeitgebers gibt ihm das Recht, die Arbeit zuzuweisen, die zu erledigen ist. Das Direktionsrecht geht nur so weit, wie der Arbeitsvertrag reicht. Hier ergeben sich häufig Probleme im Arbeitsrecht, da im Arbeitsvertrag selten eine Stellenbeschreibung vorhanden ist. Schwierigkeiten ergeben sich daher, wie weit das Direktionsrecht des Arbeitgebers reicht. Selbst wenn eine Stellenbeschreibung vorhanden ist, ist häufig fraglich, ob andere Arbeit zugewiesen werden darf oder nicht. In Arbeitsverträgen gibt es zudem häufig sogenannte Versetzungsklauseln oder Verweisungsklauseln, die den Arbeitgeber ermächtigen, andere Arbeit zuzuweisen oder gar einen anderen Arbeitsplatz, im Extremfall auch Versetzungen in andere Bundesländer oder Länder.
Ist die Arbeitsanweisung des Arbeitgebers von diesem zu Recht im Rahmen des Arbeitsvertrages erteilt worden und verweigert der Arbeitnehmer die angewiesene Arbeit führt dies nach Ausspruch einer Abmahnung bei einem erneuten Verstoß oder einer erneuten Weigerung zu einer wirksamen verhaltensbedingten Kündigung, die auch fristlos ausgesprochen werden kann (Bsp: Sekretärin soll zuerst die Post aus dem Briefkasten holen, dann die Diktate tippen, aber die Sekretärin weigert sich, die Post zu holen und tippt die Diktate weiter.)
Ob die Arbeitsanweisung des Arbeitgebers im Rahmen des Direktionsrechts erfolgte oder über das Direktionsrecht hinausging, wird das Arbeitsgericht letztlich entscheiden müssen. Davon ist dann abhängig, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Bei Verweigerungen von Arbeitsanweisungen sollte man sich also frühzeitig im Klaren über die Risiken einer Verweigerung sein. Im Arbeitsrecht gibt es hier häufig Probleme. Bsp.: Klar ist, dass ein angestellter Anwalt sicherlich nicht Schreibarbeiten für andere Anwälte erledigen muss. Erhält ein angestellter Anwalt diese Arbeitsanweisung, kann er diese verweigern. Eine Kündigung wäre unwirksam, trotz dieser Arbeitsverweigerung, da die Anweisung zu Unrecht erfolgt, weil sie nicht vom Arbeitsvertrag und dem sich daraus ergebenden Direktionsrecht gedeckt wäre. Bsp.: Ob aber ein Anwalt, der nur für arbeitsrechtliche Mandate eingestellt wurde, durch Anweisung auch familienrechtliche Mandate bearbeiten muss, ist Auslegungssache. Ist im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt, dass nur arbeitsrechtliche Fälle von dem Anwalt zu bearbeiten sind, dürfte die Zuweisung familienrechtlicher Mandate nicht möglich sein. Ist allerdings eine Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag enthalten, die beinhaltet, dass auch andere Arbeit, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers entsprechen, von ihm zu erledigen sind und ist diese Klausel wirksam vereinbart worden (die richtige Formulierung ist häufig das Problem), dann darf sich der Arbeitnehmer eben nicht weigern, diese familienrechtliche Mandate zu bearbeiten.
Sie sehen, das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist ein gefährliches Werkzeug des Arbeitgebers bei der Schaffung von Kündigungsgründen. Mehr zum Direktionsrechts und zur Versetzungsklausel finden Sie zu den Ausführungen zum Arbeitsvertrag, dort zur Verweisungsklausel/Versetzungsklausel und zur Tätigkeitsbeschreibung.
Wie der Vertragsverstoß gewichtet wird, prüft das Gericht in den weiteren Stufen.
Ist der Vertragsverstoß nicht derart gravierend, dass er sofort für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung herangezogen werden kann, dann ist von dem Arbeitgeber vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung auszusprechen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der einmalige Verstoß nicht ausreicht, das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt zu kündigen, dann ist die Kündigung unwirksam.
Ein Gericht wird immer auch prüfen, in welchem Verhältnis der starke Eingriff der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Vertragsverstoß steht. Ist eine Mutter von drei minderjährigen Kindern, die alleinerziehend ist, in 25 Jahren Betriebszugehörigkeit einmal zu spät gekommen und hat sie dafür auch eine Abmahnung erhalten und kommt sie erneut sechs Monate nach Erhalt der ersten Abmahnung 5 Minuten zu spät zur Arbeit, wird der Arbeitgeber bei Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung vor Gericht wohl nicht gewinnen. Warum? Der Arbeitgeber wird nicht gewinnen, obwohl ein klarer arbeitsvertraglicher Verstoß vorliegt und obwohl eine einschlägige Abmahnung ausgesprochen wurde und es nun erneut zu diesem Vertragsverstoß kam. Auf der Ebene der Interessenabwägung wird das Interesse der Mutter am Erhalt des Arbeitsplatzes überwiegen gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers, hier das Arbeitsverhältnis zu beenden. Der gleiche Vertragsverstoß bei einem Arbeitnehmer, der erst sechs Monate im Betrieb ist und keine unterhaltspflichtigen Kinder zu versorgen hat, wird wohl dafür sorgen, dass die Kündigung vor Gericht Bestand hat. Alles zur Abmahnung finden Sie auf dieser Website, ebenso alles zur Interessenabwägung. Unter Urteile zur verhaltensbedingten Kündigung finden sich viele Beispiele aus der Praxis, wie die Gerichte entschieden haben bei bestimmten Vertragsverstößen. Jedes Urteil befasst sich mit einem Einzelfall, der nur Anhaltspunkt für weitere Entscheidungen der Gerichte sein kann. Im Zweifel sollten Sie immer bei Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung einen (Fach-) Anwalt für Arbeitsrecht fragen, wie die Aussichten vor dem Arbeitsgericht sind.
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