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Ein kündigungsneutraler Abbruch des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2022 - 2 AZR 162/22

Nur dann, wenn die Arbeitnehmerin nicht bereit gewesen wäre, durch die Vorlage der erforderlichen Diagnosen und Arztberichte konstruktiv mitzuwirken, wäre der Abbruch des BEM durch die Arbeitgeberin „kündigungsneutral“ gewesen.

So entschied das Bundesarbeitsgericht in dem nachfolgenden Fall:

Der Sachverhalt

Die bei der Beklagten beschäftigte Klägerin war seit dem 12.12.2014 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte blieb jedoch zunächst über Jahre untätig. Erst am 24.04.2019 fand – auf Initiative der Klägerin – zunächst ein Präventionsgespräch statt, in dessen Anschluss die Beklagte die Klägerin zu einem BEM einlud.

Die Klägerin teilte mit, dass sie an einem BEM teilnehmen wolle, sie unterzeichnete aber die ihr diesbezüglich von der Beklagten übermittelte datenschutzrechtliche Einwilligung nicht, sondern stellte Rückfragen und wählte eigene Formulierungen. Die Beklagte wiederum war der Ansicht, dass das BEM ohne die Unterschrift der Klägerin unter der vorformulierten Datenschutzerklärung nicht durchgeführt werden könne, worauf sie die Klägerin auch mehrfach hinwies, ohne diese zur Unterzeichnung bewegen zu können. Im Ergebnis scheiterte das BEM an diesem Punkt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht zum 31.12.2020.

Nachdem das Arbeitsgericht Stuttgart die Kündigungsschutzklage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wiederum der gegen das Urteil eingelegten Berufung der Klägerin gefolgt war, hatte das Bundesarbeitsgericht über den Rechtsstreit zu entscheiden.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht wiederum hielt die Klage für unverhältnismäßig und daher für unwirksam.

Da die Beklagte aufgrund der Fehlzeiten der Klägerin zur Durchführung eines BEM verpflichtet gewesen und dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, trage sie die Darlegungs- und Beweispflichtig dafür, dass auch ein BEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Mit Hilfe eines BEM könnten nämlich regelmäßig mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden.

Vorliegend habe die Beklagte zwar ein BEM angeboten, ihr seien jedoch gravierende Fehler unterlaufen. Sie habe die Einleitung des BEM-Verfahrens nicht davon abhängig machen dürfen, dass die Klägerin die vorformulierte Datenschutzerklärung über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen sowie Gesundheitsdaten unterzeichne. Vielmehr sei es möglich und zumutbar gewesen, zunächst mit dem BEM zu beginnen, den Verfahrensablauf zu besprechen und zu versuchen, die Vorbehalte der Klägerin auszuräumen sowie den Kreis der am Verfahren mitwirkenden Stellen und Personen festzulegen. Erst in einem weiteren Termin wären die in Betracht kommenden Möglichkeiten zu erörtern gewesen, ob und ggf. auf welche Weise die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin reduziert werden könnten. In diesem Zusammenhang wäre von ihnen auch darüber zu befinden gewesen, ob und ggf. welche Angaben über den Gesundheitszustand hierfür voraussichtlich erforderlich und auf welche Weise etwaige Gesundheitsdaten rechtskonform zu erheben und verarbeiten seien.

Hinweise für die Praxis

Eine auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte Kündigung ist unwirksam, wenn es angemessene mildere Mittel (die Umgestaltung des bisherigen oder die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz etc.) zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig die Verpflichtung der Arbeitgebenden, es den betroffenen Mitarbeitenden vor einer Kündigung zu ermöglichen, die im Rahmen eines BEM als zielführend erkannten Maßnahmen zu ergreifen.

Das vorliegende Urteil ist ein weiteres Beispiel dafür, dass bei der Durchführung eines BEM jedoch eine Unmenge Fallstricke lauern, die es zu umschiffen gilt. Daher raten wir dazu, nicht erst nach Ausspruch einer Kündigung anwaltliche Hilfe hinzuzuziehen, sondern bereits im Vorfeld mit erfahrenen Arbeitsrechtler*innen zusammen zu arbeiten. Auch aus einem anderen Grunde wäre die Beklagte gut beraten gewesen, früher mit einem Anwalt / einer Anwältin zu sprechen. Sie hat die Kündigung nämlich viel zu spät ausgesprochen. Im September und Oktober 2019 war bereits eine Wiedereingliederung durchgeführt worden, die nunmehr erhebliche finanzielle Nachteile für die Beklagte zur Folge hat.

Die wichtigsten Informationen zum Thema „Kündigung bei Arbeitsunfähigkeit“ haben wir Ihnen in unserem Ratgeber zusammengestellt. Weitere interessante Urteile finden Sie in unserer Urteilsdatenbank

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