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Von einer Druckkündigung wird gesprochen, wenn Dritte – Arbeitnehmer oder Kunden – vom Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen – wie Eigenkündigungen oder Abbruch der Geschäftsbeziehung – verlangen, dass er einen bestimmten Arbeitnehmer entlässt. Eine "echte" Druckkündigung liegt vor, wenn es für das Entfernungsverlangen keine objektive Rechtfertigung gibt.
Über den Fall, entschieden in 2. Instanz von dem Landesarbeitsgericht Bremen, haben wir im Rahmen unseres Seminars „Was erlaube Strunz – verhaltensbedingte Kündigungen“ berichtet wie auch in einem unserer Newsletter. Das LAG Bremen hatte der fristgereichten Kündigung, wie auch die 1. Instanz, das Arbeitsgericht Bremen, zugestimmt. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers wurde insoweit abgewiesen. Die Urteilsbesprechung des LAG Bremen finden Sie auch auf unseren Urteilsseiten, unter dem Datum 17.06.2015 oder unter dem Thema „Verhaltensbedingte Kündigung“.
Der Arbeitnehmer war als Hafenarbeiter tätig. Die Arbeitgeberin hatte ihm wegen des Verdachts einer außerdienstlich begangenen Straftat (Missbrauch eines Kindes) gekündigt. Der Arbeitnehmer wurde dann wegen dieser Straftat strafrechtlich verurteilt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis erneut, da, so die Arbeitgeberin, Mitarbeiter eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer abgelehnt hätten. Beide Kündigungen hatte der Arbeitnehmer erfolgreich angegriffen. Als er danach wieder im Betrieb erschien, weigerten sich Mitarbeiter der Arbeitgeberin sowie Arbeitnehmer von einer auf dem Betriebsgelände tätigen Drittfirma, ihre Tätigkeit aufzunehmen, so lange sich der Arbeitnehmer auf dem Firmengelände aufhalte. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin ein weiteres Mal außerordentlich fristlos sowie hilfsweise fristgerecht.
Nach Auffassung des BAG waren die fristlose wie auch die fristgerechte Kündigung unwirksam. (Das LAG Bremen als Vorinstanz hat die fristgerechte Kündigung als wirksam angesehen, ebenso das Arbeitsgericht Bremen).
Das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, könne zwar auch dann einen Grund zur Kündigung bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Jedoch dürfe der Arbeitgeber einem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft oder eines Teils der Mitarbeiter nicht ohne Weiteres nachgeben. Er habe sich vielmehr schützend vor den Betroffenen zu stellen. Und er habe alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Diese Pflicht verlange vom Arbeitgeber ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Voraussetzung sei, dass die Kündigung das einzig praktische in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden.
Arbeitnehmer, die die Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, verletzten ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Es sei dem Arbeitgeber, so das BAG, stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwerwiegenden, nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Lohn zusteht. Ein solcher Hinweis sei zur Abwendung des Drucks nicht ungeeignet. Die Obliegenheit des Arbeitgebers, der Kündigung entgegenzutreten, entfalle nicht etwa dann, wenn Anlass für die Druckausübung eine als moralisch besonders verwerflich empfundene Straftat des Arbeitnehmers ist.
Die Rechtsprechung stellt an eine „echte“ Druckkündigung hohe Anforderungen. Insbesondere verlangt das BAG vom Arbeitgeber, sich schützend vor den Betroffenen zu stellen. Er hat alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft zu befrieden. Nach Auffassung des BAG ist der Arbeitgeber dann, wenn er bereits zu einem früheren Zeitpunkt unwirksam gekündigt hat, gehalten, dem aufgrund der vorausgegangenen Kündigung möglichen subjektiven Eindruck der weiter eine Entlassung fordernden Mitarbeiter entgegenzuwirken. Eine Druckausübung komme ihm „gerade recht“, um doch noch eine Beendigung herbeizuführen. Denn anderenfalls könnten sich die Mitarbeiter in ihrem Entlassungsverlangen und in ihrer Bereitschaft, diesen durch den Einsatz von Druck zum Erfolg zu verhelfen, noch bestärkt fühlen.
Der Arbeitgeber ist hier also einem doppelten Druck ausgesetzt. Nämlich einerseits dem Druck seitens seiner Mitarbeiter, einen bestimmten Arbeitnehmer zu entlassen. Und andererseits dem Druck seitens der Rechtsprechung des BAG, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um genau diesen Druck abzuwenden. Im Ergebnis eine praktisch unmögliche Aufgabe für einen Arbeitgeber. Warum der Arbeitgeber letzten Endes die negativen Konsequenzen eines solchen strafbaren Verhaltens des Arbeitnehmers (verurteilt wegen Kindesmissbrauch) zu tragen hat, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Warum soll nicht der Arbeitnehmer, der durch sein strafbares Verhalten erst diese Reaktionen der Kollegen provoziert hat, die Konsequenzen tragen?
Die Reaktionen der Kollegen sind zudem menschlich nachvollziehbar und nicht willkürlich. Der Arbeitgeber soll aber den Mitarbeitern, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, und die sich (menschlich nachvollziehbar) weigern, mit einem solchen Menschen zusammen zu arbeiten, den Lohn kürzen und abmahnen sowie ggf. sogar kündigen und so u.U. die Existenz gefährden oder vernichten und sie so mit erheblichen Druck zwingen, einzuknicken und mit dem Straftäter doch zusammen zu arbeiten. Ein tolles Arbeitsverhältnis mit der Belegschaft wird die Folge sein. Zieht die Belegschaft aber nicht mehr mit dem Arbeitgeber an einem Strang, ist jeder Betrieb kurz vor dem Ende. Gerecht?
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