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LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.06.2021 – 3 Sa 82/21
Vor den deutschen Arbeitsgerichten stehen sogenannte Prozessvergleiche an der Tagesordnung. Mit einem solchen Vergleich beenden die Streitparteien einen Rechtsstreit einvernehmlich und beugen auf diese Weise den Risiken eines ungewissen Verfahrensausgangs vermeintlich vor. Häufig werden jedoch Vereinbarungen getroffen, deren Reichweite sich die Parteien gar nicht bewusst sind.
Der Kläger war bei der Beklagten als Hotelleiter zu einer monatlichen Bruttovergütung von € 3.200,00 tätig. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, erhob der Kläger eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn. Der Rechtsstreit wurde bereits im Rahmen der Güteverhandlung einvernehmlich beigelegt. Der geschlossene Vergleich enthielt – wörtlich mit Schreibfehler zitiert – auszugsweise die folgenden Regelungen:
Trotz des geschlossenen Vergleichs ging der Streit jedoch weiter, weil sich die Beklagte weigerte, dem Kläger 7,5 Urlaubstage für das Jahr 2020 abzugelten. Dieser war der Ansicht, die Urlaubsvergütung von rund € 1.200,00 sei Teil seiner Vergütung für den Monat Juni 2020, zu dessen ordnungsgemäßen Abrechnung und Auszahlung der sich daraus ergebenden Beträge die Beklagte gemäß Ziffer 4 des Vergleichs verpflichtet sei. Aus dem Vergleich ergebe sich auch sonst nicht, dass der Kläger auf seine Urlaubsabgeltung verzichtet habe.
Die Beklagte war hingegen der Meinung, die ordnungsgemäße Abrechnung nach Ziffer 4 des Vergleichs bezöge sich ausschließlich und gewollt nur auf das noch ausstehende Gehalt des Monats Juni 2020. Damit seien weitere Zahlungsansprüche wie eine etwaige Abgeltung von Urlaubsansprüchen gerade ausgeschlossen.
Das Arbeitsgericht Elmshorn wies die Klage als unbegründet ab. Mit der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung auf Kosten des Klägers zurück.
Zwar wandle sich der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfalle nämlich die Arbeitspflicht und damit die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer durch Freistellung von der Arbeitspflicht Urlaub zu gewähren. Der Zahlungsanspruch des Klägers sei aber von der unter Ziffer 7 des Vergleichs vereinbarten Ausgleichsquittung (auch große Abgeltungs- oder Ausgleichsklausel) umfasst und daher erloschen:
„Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht.“
Auch die Argumentation des Klägers, die Auszahlung der Urlaubsabgeltung sei von der geschuldeten ordnungsgemäßen Abrechnung des Bruttomonatsgehalts für Juni umfasst, ließ das Landesarbeitsgericht nicht gelten.
„Entgegen der Ansicht des Klägers kann der nicht im Wortlaut des Vergleiches erwähnte Urlaubsabgeltungsanspruch nicht in die geschuldete ordnungsgemäße Abrechnung des Bruttomonatsgehalts für Juni hineininterpretiert werden.“
Der Vergleichsabschluss stellt den „Gipfel“ des Verfahrens dar. Erst, wenn dieser Gipfel genommen wurde, ist das Gerichtsverfahren tatsächlich überstanden. Der vorliegende Fall zeigt jedoch deutlich, dass viele Streitparteien – und auch deren Anwälte – viel zu schnell dazu neigen, schlicht die „üblichen“ Vereinbarungen in einen Prozessvergleich aufzunehmen. Auch wenn wir als Prozessanwälte nachvollziehen können, dass lange und schwierige Verhandlungen durchaus ermatten können, gilt eines immer:
Bei dem Abschluss eines Prozessvergleichs muss der Anwalt hochkonzentriert sein!
Für den Anwalt des Klägers traf dies offensichtlich nicht zu, denn er vereinbarte unter anderem die „übliche“ große Ausgleichsklausel. Diese bestimmt, dass mit Erfüllung des Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – egal ob bekannt oder unbekannt – als erledigt gelten. Die Parteien schulden sich also nur noch das, was ausdrücklich als geschuldet in den Vergleich aufgenommen wird. Der Anwalt des Klägers hatte augenscheinlich jedoch vergessen, diesen nach noch ausstehenden Urlaubsansprüchen zu fragen oder –- was für eine noch größere Nachlässigkeit spräche – vergessen die Auszahlung der Urlaubsansprüche, obwohl er von ihnen wusste, in den Vergleich aufzunehmen.
Auch Sie als Arbeitgeber müssen sich bei solchen Klauseln sicher sein, dass nicht im Nachgang noch kostspielige Schäden auftauchen, die man dann von dem Arbeitnehmer nicht mehr ersetzt verlangen kann.
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