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Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – 2 Sa 11/21
Nicht selten vereinbaren Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen im Rahmen eines Aufhebungsvertrages, dass im Gegenzug für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gezahlt wird. Doch was passiert mit diesem Anspruch, wenn der Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin vor Auszahlung der Abfindung verstirbt?
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zeigt in einem aktuellen Urteil auf: Nicht in jedem Fall geht der Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Abfindung auf die Erben über!
Der Ehemann der Klägerin war vor seinem Tod als Projektleiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Vertragsparteien beabsichtigten, das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen durch einen Aufhebungsvertrag aufzulösen. Der Vertragstext enthielt unter anderem die folgende Textpassage:
„Der Arbeitgeber bezahlt an den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 34.500,00 € brutto, zur Zahlung fällig am 30.06.2020. Der Anspruch auf die Abfindung ist bereits mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung entstanden und damit vererblich.“
Der Satz, nach dem die Abfindung bereits mit Abschluss der Vereinbarung entstanden und vererblich sein sollte, war auf ausdrücklichen Wunsch des schwer erkrankten Ehemanns der Klägerin in den Vertrag aufgenommen worden. Dieser unterschrieb am 16.01.2020 zwei Exemplare des Vertrages und versandte sie an die Beklagte, deren Geschäftsführer die Verträge am 27.01.2020 ebenfalls unterzeichnete. Der unterschriebene Aufhebungsvertrag ging dem Rechtsanwalt des Arbeitnehmers am 31.01.2020 zu. Der Ehemann der Klägerin war jedoch bereits am 25.01.2020, also schon vor Unterschrift durch den Geschäftsführer, verstorben.
Die Klägerin und Alleinerbin ihres Ehemannes forderte die Beklagte zur Zahlung der vereinbarten Abfindung auf. Die hielt sich aufgrund des Todes ihres ehemaligen Mitarbeiters aber nicht mehr an den Vertrag gebunden und erklärte den Rücktritt von dem Vertrag. Daraufhin erhob die Klägerin in erster Instanz eine Klage auf Zahlung der vereinbarten Abfindung vor dem Arbeitsgericht Ulm, welches die Beklagte zur Zahlung der Abfindung verurteilte. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte sodann Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ein.
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Anders als das Arbeitsgericht Ulm gab das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg der Beklagten recht und wies die Klage ab.
Zwar sei der Aufhebungsvertrag zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Beklagten wirksam zustande gekommen. Dem stehe nämlich nicht entgegen, dass der Ehemann der Klägerin vor Unterzeichnung des Vertrages durch den Geschäftsführer der Beklagten verstorben sei. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn für die Beklagte aufgrund objektiver Anhaltspunkte ein entgegenstehender Wille des Ehemanns der Klägerin erkennbar gewesen wäre. Vorliegend sei aber gerade der Wille des Ehemanns erkennbar, eine Regelung vereinbaren zu wollen, die darauf gerichtet ist, dass die Abfindung so schnell wie möglich der Erbin zustehen sollte.
Aber:
Die Beklagte sei von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung frei geworden, weil der Ehemann der Klägerin die von ihm geschuldete Gegenleistung – nämlich die vorzeitige Aufgabe seines Arbeitsplatzes bereits zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrages nicht mehr erfüllen konnte:
„Die von Herrn [...] bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 31. Januar 2020 geschuldete „Leistung“, nämlich die Aufgabe des Arbeitsplatzes, war zu diesem Zeitpunkt unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB, weil er bereits zuvor am 25. Januar 2020 verstorben war. Das führt zu dem Ergebnis, dass die Erbin den Anspruch auf die als Gegenleistung vereinbarte Abfindung gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB verliert.“
In dem vorliegenden Fall ist der Mitarbeiter der Beklagten bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages verstorben. Da es sich bei der Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung und der Verpflichtung zur Aufgabe des Arbeitsplatzes um wechselseitige Pflichten handelte und der Ehemann der Klägerin seine Pflicht von Anfang an nicht erfüllen konnte, brauchte auch die Beklagte ihrer Zahlungspflicht nicht mehr nachkommen. Wie aber wäre das Verfahren ausgegangen, wenn der Ehemann der Klägerin „erst“ am 01.02.2020, also nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags durch den Geschäftsführer der Beklagten, verstorben wäre?
In einem solchen Fall ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln, wann nach dem Willen der Parteien der Anspruch auf eine Abfindungszahlung entstanden sein sollte. Denn nur ein bereits entstandener Anspruch kann vererbt werden. Infrage kommen hierfür sowohl der Zeitpunkt des Vertragsschlusses als auch das im Aufhebungsvertrag vereinbarte Beendigungsdatum. Zu berücksichtigen ist auch der Zweck, den die Abfindung nach dem Willen der Parteien dienen sollte. Stellt die Abfindung die Gegenleistung für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar – wie von dem Landesarbeitsgericht in dem vorliegenden Fall angenommen – oder dient sie vor allem dem Zweck, den Verdienstausfall übergangsweise auszugleichen (beispielsweise bis zu dem Bezug der gesetzlichen Altersrente)? Der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens ist daher häufig ungewiss!
Unserer Ansicht nach darf es deshalb überhaupt nicht dazu kommen, dass der Parteiwille durch Auslegung ermittelt werden muss – sei es im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder bei einem gerichtlichen Vergleich. Denn nur durch die „richtige“ Formulierung eines Vertrags oder eines gerichtlichen Vergleichs wird Rechtssicherheit erzielt und weiteren Streitigkeiten mit den Arbeitnehmer*innen oder deren Rechtsnachfolger*innen vorgebeugt.
Weitere interessante Informationen rund um das Thema „Aufhebungsvertrag“ finden Sie in unserem „Ratgeber Arbeitsrecht".
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