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Arbeitsvertragsformulare, die von einem potenziellen Arbeitnehmer die Erklärung abfordern, dass dieser erklärt, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt, können für Arbeitgeber teuer werden. Denn alleine das Abfordern einer solchen Erklärung in einem Arbeitsvertrag stellt eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nach § 3 S. 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) dar und löst eine Entschädigungsplicht aus. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Schwerbehinderung keine Auswirkung auf die tatsächlich auszuübende Tätigkeit hat.
Ein schwerbehinderter potentieller Bewerber bewarb sich bei der beklagten Arbeitgeberin. Die Vertragsparteien vereinbarten ein Probearbeitsverhältnis vom 9. bis 11. Januar 2017. Aufgrund der positiven Leistungen fand ein Gespräch am 11. Januar 2017 zwischen dem Bewerber/Kläger und dem Leiter der Beklagten statt, in dem letzten Endes ein von der Beklagten unterzeichneter Arbeitsvertrag überreicht wurde mit folgender Klausel:
„Der Mitarbeiter versichert, dass er arbeitsfähig ist, nicht in einer infektiösen Erkrankung leidet und keine sonstigen Umstände vorliegen, die ihm die vertraglich zu leistende Arbeit jetzt oder in naher Zukunft wesentlich erschweren oder unmöglich machen. Der Mitarbeiter erklärt weiter, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt. Sofern etwa die Voraussetzungen dafür später eintreten, wird er das Unternehmen hiervon unverzüglich in Kenntnis setzen“
Der Arbeitnehmer unterzeichnete den angebotenen Arbeitsvertrag nicht sofort, sondern nahm ihn mit, um ihn sich in Ruhe durchzulesen. Der weitere Sachverhalt ist überwiegend umstritten, es lohnt sich auf alle Fälle, sich die gegensätzlichen Aussagen durchzulesen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie vor Gericht "wahrheitsgemäß" vorgetragen wird, wenn es um Inhalte von Telefonaten und Gesprächen geht. Das LAG Hamburg hat alles wunderbar im Urteil dargestellt, wer was wann gesagt haben soll, damit auch juristische Laien sofort erkennen, wie vor Gericht versucht wird, sich in ein besseres Licht zu setzen.
Es fanden also unstreitig Telefonate statt, in denen der Arbeitnehmer Änderungen des Arbeitsvertrages wünschte. Er wünschte vor allen Dingen, dass er die oben zitierte Klausel nicht unterzeichnen muss. Und auf die Nachfrage, warum er das nicht wollte, offenbarte er, dass er schwerbehindert sei. Nach weiterem hin und her wurde das Vertragsangebot durch den Arbeitgeber nicht mehr aufrechterhalten. Es kam nicht zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
Der Arbeitnehmer bzw. Bewerber klagte drei Bruttogehälter als Entschädigung für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung ein, insgesamt 8.100 €. Das Arbeitsgericht Hamburg verurteilte die Beklagte zur Zahlung von nur zwei Gehältern (€ 5.400,-), nicht zur Zahlung von drei Gehältern.
Die Beklagte legte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg ein. Der Kläger ebenfalls, dieser aber mit dem Antrag, die Entschädigung auf drei Gehälter (€ 8.100,-) zu erhöhen. Das Landesarbeitsgericht Hamburg gab dem Kläger vollumfänglich recht, denn die so gefasste Klausel benachteiligte den Kläger. Die Klausel führt zu einer ungünstigeren Behandlung im Vergleich zu nicht schwerbehinderten Bewerbern, ohne dass dies gerechtfertigt wäre.
Die Verpflichtung zu bestätigen, nicht schwerbehindert zu sein, war in der konkreten Fassung auch tätigkeitsneutral. Sie hatte keinerlei Bezug zu den vom Bewerber auszuübenden Tätigkeiten. Dem Arbeitgeber geht es alleine darum, zu erkennen, ob jemand schwerbehindert ist oder nicht. Es gibt auch keine Wahl für einen Bewerber, also eine Ankreuz-Möglichkeit oder Ähnliches. Alleine dadurch, dass der Arbeitnehmer bzw. Bewerber versichern soll, nicht schwer behindert zu sein, führt dazu, dass ein schwerbehinderter Bewerber den Arbeitsvertrag nicht ohne Änderungswunsch unterzeichnen kann oder aber, wenn er ihn unterzeichnet, dass er bereits mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrages die Unwahrheit sagt, was ebenfalls sehr belastend für ein zukünftiges Arbeitsverhältnis ist.
Der Vergleich zwischen einem schwerbehinderten und einem nicht schwerbehinderten Bewerber im Hinblick auf die Klausel zeigt, dass für schwerbehinderte Bewerber diese Klausel nachteilig ist. Die Klausel bringt insbesondere nicht zum Ausdruck, dass es dem Arbeitgeber darum geht, nur zu erfahren, ob jemand schwerbehindert ist, um z. B. die Urlaubsansprüche richtig berechnen zu können usw.
Im vorliegenden Fall ist auch der zeitliche Ablauf von entscheidender Bedeutung. Zunächst wird dem Arbeitnehmer der bereits unterzeichnete Arbeitsertrag übergeben und erst nachdem der Arbeitnehmer erklärt, schwerbehindert zu sein, wird nicht mehr am Arbeitsverhältnis festgehalten.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Wittig, Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg
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