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Fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds - statt Fortbildung besser zu Exfrau:

LAG Niedersachsen, Beschluss v. 28.02.2024 – 13 TaBV 40/23

Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied kann fristlos gekündigt werden, wenn es bewusst falsche Arbeitszeiten angibt und damit einen Arbeitszeitbetrug begeht.

Der Sachverhalt

Der Fall betrifft einen seit 2017 beschäftigten Versandmitarbeiter eines Logistikunternehmens, der seit Mai 2022 vollständig für seine Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender von seiner eigentlichen Arbeitspflicht freigestellt war. Als freigestelltes Betriebsratsmitglied war er nicht mehr zur Erbringung seiner ursprünglichen Arbeitsleistung verpflichtet, sondern musste während der regulären Arbeitszeit im Betrieb Betriebsratsaufgaben wahrnehmen.

Im September 2022 beschloss der Betriebsrat, den Vorsitzenden zusammen mit drei weiteren Mitgliedern zu einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung, dem „Deutschen Betriebsrätetag“ in B-Stadt, zu entsenden. Die Arbeitgeberin übernahm die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung und gewährte ihm für die Dauer der Schulung eine Freistellung unter Fortzahlung seines Gehalts.

Der Betriebsratstag fand vom 08.11. bis 10.11.2022 statt. Der Betriebsratsvorsitzende und seine drei Kollegen reisten am 07.11.2022 an und nahmen am 08.11.2022 regulär an den Veranstaltungen teil. Am 09.11.2022 entfernte sich der Betriebsratsvorsitzende jedoch aus unbekannten Gründen vom Veranstaltungsort. Er nahm weder an den Programmpunkten des Tages in Präsenz noch online teil. Er reiste stattdessen mit dem Zug in eine andere Stadt, um sich dort mit seiner geschiedenen Ehefrau zu treffen, und übernachtete bei ihr. Am Morgen des 10.11.2022 kehrte er zwar nach B-Stadt zurück, nahm aber ebenfalls nicht mehr am Betriebsrätetag teil. Stattdessen fuhr er gegen Mittag mit seinen Kollegen nach Hause.

Am 17.11.2022 reichte der Betriebsratsvorsitzende seinen Arbeitszeitnachweis ein und gab an, am 09.11.2022 zwischen 13:00 Uhr und 16:00 Uhr sowie zwischen 19:00 Uhr und 22:00 Uhr Betriebsratsarbeit geleistet zu haben. Die Arbeitgeberin wurde misstrauisch, weil Kollegen bestätigten, dass er sich an diesem Tag nicht am Veranstaltungsort befunden hatte. Zudem gab er an, die Schulungsveranstaltung online besucht zu haben, was nachweislich nicht möglich war, da es nur eine Mediathek mit später abrufbaren Inhalten, aber kein Live-Streaming gab.

Als die Arbeitgeberin den Verdacht des Arbeitszeitbetrugs äußerte, verteidigte sich der Betriebsratsvorsitzende damit, er habe in einem Café Recherchen zur Betriebsratsarbeit durchgeführt und sich mit seiner Ex-Frau über betriebsratsrelevante Themen ausgetauscht. Die Arbeitgeberin sah darin keinen ausreichenden Nachweis für Betriebsratsarbeit und beantragte beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs.

Der Betriebsrat verweigerte seine (für die Kündigung zwingend erforderliche) Zustimmung. Die Arbeitgeberin stellte daraufhin beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur fristlosen Kündigung. Das Gericht kann die zwingend erforderliche Zustimmung zur Kündigung ersetzen und für das Organ Betriebsrat der Kündigung zustimmen.

Das Urteil

Das Arbeitsgericht Lüneburg entschied in erster Instanz, dass die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sei, weil das Betriebsratsmitglied seine Arbeitszeit vorsätzlich falsch angegeben habe, um eine unrechtmäßige Vergütung zu erhalten.

Das LAG Niedersachsen bestätigte diese Entscheidung. Die Richter stellten fest, dass der Betriebsratsvorsitzende bewusst Zeiten als Betriebsratsarbeit angegeben hatte, in denen er sich nachweislich nicht am Veranstaltungsort befand und keine betriebsratsrelevanten Tätigkeiten nachweisen konnte.

Zwar stehe einem Betriebsratsmitglied grundsätzlich ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, welche Tätigkeiten als erforderlich anzusehen seien. Dieser Spielraum sei jedoch überschritten, wenn ein freigestelltes Betriebsratsmitglied entgegen der Beschlusslage des Betriebsrats eigenmächtig entscheide, einer Schulung fernzubleiben und stattdessen private Angelegenheiten zu erledigen. Die Pflicht zur Teilnahme an der Schulung sei durch den Betriebsratsbeschluss verbindlich festgelegt worden.

Da das Verhalten einen schwerwiegenden Vertrauensbruch darstelle und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitgeberin unzumutbar sei, ersetzte das Gericht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung.

Hinweise für die Praxis

Für Arbeitgeber:

  • Arbeitszeitbetrug ist ein schwerwiegender Pflichtverstoß, der auch bei Betriebsräten eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
  • Voraussetzung ist eine sorgfältige Dokumentation und eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.
  • Falls der Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung verweigert, kann diese gerichtlich ersetzt werden.

Dieses Urteil zeigt, dass der besondere Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern kein Freifahrtschein für pflichtwidriges Verhalten ist. Wer Arbeitszeiten falsch angibt und sich damit unrechtmäßige Vorteile verschafft, riskiert seinen Arbeitsplatz – auch als Betriebsrat.

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