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Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.09.2022 – Aktenzeichen 1 ABR 22/21
Ein Paukenschlag! Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden:
„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann."
Der Europäische Gerichtshof hatte bereits am 14.05.2019 in einer wegweisenden Entscheidung geurteilt,
dass Arbeitgeber*innen durch die jeweiligen Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeiter zu errichten.
Während in der juristischen Fachliteratur hauptsächlich die Meinung vertreten wurde, die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs müssten zunächst durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, befasste sich das Arbeitsgericht Emden als erstes deutsches Gericht mit der Frage, ob die Umsetzung der Entscheidung durch den Gesetzgeber abgewartet werden kann oder Arbeitgeber*innen umgehend tätig werden müssten. Das Arbeitsgericht Emden kam zu dem Schluss, dass Arbeitgeber*innen unmittelbar zur Errichtung eines Zeiterfassungssystems nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet seien und gab der Klage eines Bauhelfers auf Zahlung ausstehender Überstundenvergütung statt, obwohl der Arbeitgeber ein – gemeinsam mit dem Kläger Erstelltes! – Bautagebuch vorlegen konnte, in dem der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende dokumentiert waren.
Während auch weitere Arbeitsgerichte Klagen auf Überstundenvergütung stattgaben, schloss sich das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hingegen der Literaturmeinung an. Dem Europäischen Gerichtshof käme keine Kompetenz zur Entscheidung über Fragen der Vergütung zu.
Im Ergebnis verbliebe es dabei, dass Arbeitnehmer*innen ganz genau vortragen müssen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten sie für den/die Arbeitgeber*in tätig geworden sind und warum sie erwarten konnten, dass eine Vergütung für die Dienste gezahlt wird. Erst wenn der/die Arbeitnehmer*in entsprechend vorgetragen hat, obliegt es dem/der Arbeitgeber*in, sich zu dem Vortrag zu äußern. Indizien auf einen Vergütungsanspruch genügen demnach auch dann nicht, wenn die Arbeitszeit des/der Arbeitnehmer*in nicht erfasst werde. Siehe hierzu unsere Urteilsbesprechung.
Eigentlich ging es in dem Fall, den das Bundesarbeitsgericht nunmehr kürzlich zu entscheiden hatte, lediglich um die Frage, ob ein Betriebsrat ein Initiativrecht für die Einführung eines digitalen Zeiterfassungssystems zusteht. Nachdem der Betriebsrat in den ersten Instanzen obsiegt hatte, erteilte das Bundesarbeitsgericht dieser Ansicht nun eine Abfuhr. Besonders überraschend war jedoch die Begründung: Der Betriebsrat hätte deshalb nicht mitzubestimmen, weil nach Auslegung des Gerichts bereits eine gesetzliche Regelung existiert!
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ergebe sich dabei aus dem Arbeitsschutzgesetz, welches den Arbeitgeber verpflichten würde, erforderliche Mittel und eine geeignete Organisation für die Sicherung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bereitzustellen.
Eigentlich wollten wir mit der Besprechung dieser Entscheidung abwarten, bis die Entscheidungsgründe veröffentlicht sind. Rund eineinhalb Monate nach der Pressemitteilung ist der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes jedoch noch immer nicht als Volltext verfügbar. Wir haben uns daher entschlossen, Ihnen mit diesem Beitrag bereits vorab einen kurzen Überblick zu verschaffen und die „richtige“ Entscheidungsbesprechung so bald wie möglich nachzuliefern.
Eines möchten wir Ihnen aber schon jetzt mit auf den Weg geben. Im Internet kursieren nämlich leider viele Aussagen zu möglichen Ansprüchen von Arbeitnehmer*innen und Bußgeldern, die wir so nicht stehen lassen wollen:
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist kein Grund, in Panik zu verfallen. Auch Vertrauensarbeitszeit ist nach wie vor möglich. Sie sollten sich jedoch zeitnah mit dem Thema Arbeitszeiterfassung und den Möglichkeiten, ein entsprechendes System in Ihrem Betrieb einzuführen, auseinandersetzen.
Sprechen Sie uns daher gerne an, wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben. Als einen ersten Anlaufpunkt können wir Ihnen auch unser aufgezeichnetes Webinar empfehlen.
Rufen Sie uns an, schreiben Sie uns eine E-Mail, nutzen Sie unser Kontaktformular oder vereinbaren Sie einen Termin mit uns. Wir helfen – sofort!
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