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Arbeitsgericht München, Urteil vom 14.11.2023 13 Ca 593/23
Vor dem Arbeitsgericht München haben wir für eine Mandantin ein Urteil erstritten, welches wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.
Unsere Mandantin (die Beklagte) hat leider das Problem, dass sich ihre Arbeitnehmenden kurz vor Urlaubsende aus dem Ausland plötzlich krankmelden und mitteilen, die Rückreise nach Deutschland angeblich krankheitsbedingt nicht antreten zu können. Aus Ihrer Sicht ganz klar eine eigenmächtige Urlaubsverlängerung. Trotzdem hat sie das Verhalten ihrer Arbeitnehmenden bislang stets durchgehen lassen und sogar die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gezahlt.
Diese Mal hat unsere Mandantin aufgrund unserer Beratung die Entgeltfortzahlung nicht bezahlt. Und so ist der Fall ausgegangen:
Der Kläger war vom 22.08.2022 bis zum 09.09.2022 in Tunesien im Urlaub. Zwei Tage vor dem Urlaubsende teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er arbeitsunfähig erkrankt sei – und zwar für ganze 3 Wochen! Eine Rückreise nach Deutschland sei in dieser Zeit ebenfalls nicht möglich. Beigefügt war ein ärztliches Attest vom 07.09.2022 in französischer Sprache.
Die Beklagte akzeptierte das vorgelegte Attest jedoch nicht als Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und zahlte dem Kläger daher weder eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall noch eine vertraglich vereinbarte Anwesenheitsprämie. Sie hatte das Attest nämlich übersetzen lassen. Das Wort „Arbeitsunfähigkeit“ enthielt das Attest überraschender Weise aber nicht. Der Kläger brauche wegen schwerer Ischiasbeschwerden im engen Lendenwirbelkanal Ruhe und könne nicht reisen, hieß es:
„(…) benötigt 24 Tage strenge häusliche Ruhe vom 07.09 bis 30.09.2022. Während dieser Zeit darf er sich nicht bewegen oder reisen.“
Der Kläger legte daraufhin eine „erläuternde Bescheinigung“ vom 17.10.22 mit einer beglaubigten Übersetzung vor, in welcher der behandelnde Arzt nunmehr eine Ruhepause mit Arbeitsunfähigkeit, sowie ein Reiseverbot bescheinigte. Als Diagnose nannte die Bescheinigung nunmehr eine „beidseitige Lumboischialgie“:
„Er hatte eine beidseitige Lumboischialgie die eine Ruhepause mit Arbeitsunfähigkeit und Reiseverbot für 24 Tage vom 07.09.2022 bis zum 30.09.2022 erforderlich machte.“
Der Kläger vertrat den Standpunkt, der Arzt habe ihm ausdrücklich eine Arbeitsunfähigkeit und ein Reiseverbot attestiert. „Strenge häusliche Ruhe“ bedeute Arbeitsunfähigkeit. Daher stehe ihm sowohl die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall als auch die Anwesenheitsprämie zu. Darüber hinaus werde er von der Beklagten vorliegend wegen seiner ethnischen Herkunft diskriminiert, sodass die Beklagte ihm eine Entschädigung zukommen lassen müsse. Die vermeintlichen Ansprüche bezifferte der Kläger mit insgesamt rund € 5.300,00.
Das Arbeitsgericht München hat die Klage abgewiesen und für die Urteilgründe eins zu eins unsere Argumentation übernommen! Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klägers war erschüttert.
Zunächst bescheinige das Attest vom 07.09.2022 nur, dass der Kläger 24 Tage häusliche Ruhe benötige und sich während dieser Zeit nicht bewegen oder reisen dürfe. Dass es sich um eine mit einer Arbeitsunfähigkeit verbundene Krankheit handele werde jedoch nicht ersichtlich.
Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, weil
- der Kläger unmittelbar vor Beendigung seines genehmigten Urlaubs im Ausland erkrankt und bereits in der Vergangenheit Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zusammenhang mit Urlaub aufgewiesen habe. Ein gehäufter Zufall von Zusammentreffen von Urlaub und Erkrankung sei nach der Lebenserfahrung wenig wahrscheinlich.
- die ausgestellten Atteste in sich nicht schlüssig seien, weil die Krankheitsursache in beiden Attesten unterschiedlich benannt werde (schwere Ischiasbeschwerden im engen Lendenwirbelkanal UND beidseitige Lumboischialgie).
- der Kläger selbst behauptet habe, er habe Rückenschmerzen gehabt. Bei Vorliegen von Rückenschmerzen sei eine Krankschreibung für einen Zeitraum von mehr als einer Woche mehr als ungewöhnlich. (Zur Erinnerung: Der Kläger wurde drei Wochen krankgeschrieben!) Üblicherweise müsse sich ein Patient nach einigen Tagen erneut vorstellen, um das Fortbestehen der Beschwerden abzuklären und gegebenenfalls eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Auch durch die auffällige Dauer der Krankschreibung bei Rückenschmerzen sei der Beweiswert vorliegend erschüttert.
- der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass die Rückenschmerzen derart gravierend gewesen wären, dass der Arzt beispielsweise Medikamente gegen Schmerzen verschreiben musste. Bei einer Krankschreibung von 24 Tagen sei das wenig nachvollziehbar. Es deute stark auf ein Gefälligkeitsattest hin, wenn ein Arzt bei ein- und derselben Diagnose eine erläuternde Bescheinigung ausstelle, die einen Monat später plötzlich den Begriff der Arbeitsunfähigkeit enthalte.
„Der Kläger hat nach Erschütterung des Beweiswerts der ärztlichen Atteste seinerseits nicht weiter substantiiert dargelegt, dass er tatsächlich erkrankt war. Weder hat es sich zu seinen Beschwerden näher geäußert, noch hat er dargelegt, welche Therapie und/oder Arzneimittel der ihn behandelnde Arzt im Einzelnen verordnet hat. Auch hat er sich nicht dazu geäußert, weshalb aufgrund von Rückenbeschwerden am 07.09.2022 eine Krankschreibung bis zum 30.09.2022 erforderlich gewesen sein soll. Damit hat er im Ergebnis nicht den Nachweis erbracht, dass im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt war. Entgeltfortzahlungsanspruch bei Krankheit stehen ihm daher nicht zu. Die ihn behandelnden Ärzte hat er nicht von der Schweigepflicht entbunden.“
Häufig wissen Arbeitgebende, dass ihre Mitarbeitenden gar nicht arbeitsunfähig erkrankt sind, können jedoch den Beweis nicht erbringen. Das ist häufig aber auch gar nicht nötig.
Wir stehen Ihnen sehr gerne auch schon vor Auszahlung von Entgeltfortzahlung, Ausspruch einer Kündigung und weiteren Entscheidungen zur Verfügung, um den Sachverhalt rechtlich zu beleuchten und Ihnen Ihre Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
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