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Keine Gutschrift von Reisezeiten zu Betriebsratsschulungen außerhalb der Arbeitszeit, sonst liegt strafbare Begünstigung vor.

Arbeitsgericht Braunschweig, Urteil vom 16. April 2025 – 4 Ca 142/24

Vorab: Ein Urteil eines eigenen Falles unserer Kanzlei aus Hannover (Unser Az.: 13469/24). Betriebsräte, die Ansprüche geltend machen, die Ihnen nicht zustehen, dürfen Arbeitgeber nicht erfüllen! Ansonsten liegt eine Begünstigung von Betriebsräten vor. Begünstigungen von Betriebsräten stehen unter Strafe. Daher ist eine genaue Prüfung erforderlich.

Das Arbeitsgericht Braunschweig hat entschieden, dass ein Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Gutschrift von Reisezeiten zu Betriebsratsschulungen auf seinem Arbeitszeitkonto hat, wenn diese Reisen außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfinden und keine betrieblichen Gründe für die Reisezeitgestaltung vorliegen.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist seit vielen Jahren bei der Beklagten, beschäftigt und Mitglied des Betriebsrats. Im Juni und Oktober 2023 nahm er an Betriebsratsschulungen teil, wobei die An- und Abreisen jeweils an Sonntagen stattfanden – Tagen, an denen im Unternehmen üblicherweise nicht gearbeitet wird. Während in der Vergangenheit die Reisezeiten als Arbeitszeit gutgeschrieben wurden, änderte die Beklagte im November 2023 ihre Praxis auf unseren Hinweis hin. Ab da zog sie bereits gutgeschriebene Zeiten ab bzw. verweigerte die Gutschrift.

Der Kläger verlangte die (Wieder-)Gutschrift der Reisezeiten auf seinem Arbeitszeitkonto und berief sich auf § 37 Abs. 3 und 6 BetrVG sowie auf betriebliche Übung und eine Zusage der Beklagten.

Das Urteil

Das Arbeitsgericht Braunschweig wies die Klage ab. Es stellte fest, dass kein Anspruch auf Gutschrift der Reisezeiten besteht, da die An- und Abreisen zu den Schulungen außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit stattfanden und keine betrieblichen Gründe für diese Reisezeitgestaltung vorlagen.

Nach § 37 Abs. 6 BetrVG besteht ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Teilnahme an erforderlichen Schulungsveranstaltungen. Allerdings ist dieser Anspruch auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers pro Schulungstag begrenzt. Da die Schulungen vom Betriebsrat ausgewählt wurden und die Beklagte keinen Einfluss auf Ort und Zeit hatte, lagen keine betrieblichen Gründe für die Reisezeitgestaltung vor.NWB Datenbank

Auch eine betriebliche Übung konnte das Gericht nicht feststellen. Selbst wenn eine solche vorgelegen hätte, wäre sie gemäß § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 134 BGB nichtig, da sie eine unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds darstellen würde.

Die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist stand dem Abzug der gutgeschriebenen Zeiten nicht entgegen, da es sich bei der Streichung von Stunden aus dem Arbeitszeitkonto nicht um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis handelt, sondern lediglich um eine Wissenserklärung.

Hinweise für die Praxis

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, Reisezeiten zu Betriebsratsschulungen außerhalb der regulären Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, sofern keine betrieblichen Gründe für die Reisezeitgestaltung vorliegen.

Für Arbeitgeber und Personalverantwortliche bedeutet dies:

  • Überprüfung von Reisezeitregelungen: Stellen Sie sicher, dass betriebliche Regelungen zur Gutschrift von Reisezeiten klar definiert sind und keine unzulässige Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern darstellen.
  • Kommunikation mit dem Betriebsrat: Klären Sie im Vorfeld, ob und in welchem Umfang Reisezeiten zu Schulungen als Arbeitszeit gelten und dokumentieren Sie entsprechende Vereinbarungen.
  • Zahlen Sie an Betriebsräte nichts, das Sie nicht als AG zahlen müssen. Es droht sonst eine Strafbarkeit wegen Begünstigung von Betriebsräten.
  • Fragen Sie Anwälte, die Fit im BetrVG sind.

Zur Strafbarkeit wegen Begünstigung:

Eine Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern kann unter bestimmten Umständen nicht nur rechtswidrig, sondern auch strafbar sein.

1. Zivilrechtlich unzulässig:

Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Begünstigung gut gemeint ist – also z. B. ein höheres Gehalt, ein „besserer“ Arbeitsplatz oder ungerechtfertigte Zeitgutschriften. Solche Begünstigungen sind nichtig nach § 134 BGB, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Das hat das obige Urteil so auch festgestellt.

2. Strafbarkeit nach § 119 BetrVG:

Das Betriebsverfassungsgesetz sieht in § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch eine Strafvorschrift für die Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern vor:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Mitglied des Betriebsrats […] wegen seiner Tätigkeit […] begünstigt oder benachteiligt.“

  • Voraussetzung: Die Begünstigung muss vorsätzlich erfolgen – also mit Wissen und Wollen der Besserstellung wegen der Betriebsratstätigkeit.
  • Beispielhafte Fälle: Zahlung eines übertariflichen Gehalts nur wegen der Betriebsratstätigkeit, Sonderboni, die andere vergleichbare Arbeitnehmer nicht erhalten oder eben Gutschriften auf Arbeitszeitkonten, die dort nichts zu suchen haben, so wie im vorliegen Fall.

Fazit:

Begünstigungen von Betriebsräten können strafbar sein, wenn sie ohne sachlichen Grund und wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgen. Arbeitgeber sollten deshalb sehr genau prüfen, ob Vorteile für Betriebsratsmitglieder rechtlich zulässig sind – andernfalls drohen sowohl arbeitsrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen.

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