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Betriebsbedingte Kündigung durch Umstrukturierung innerhalb Konzernstruktur

BAG, Urteil vom 28.2.2023 – 2 AZR 227/22

Der Sachverhalt

Der Kläger, der Arbeitnehmer, war seit 2018 bei der deutschen Tochtergesellschaft eines internationalen Technologiekonzerns beschäftigt. Zuletzt war er als „Vice President & Country Manager Germany“ tätig und fungierte als Bindeglied zwischen der Vertriebsleitung und den „Sales Directors“ der deutschen Niederlassung.

Die Beklagte, die Arbeitgeberin, ist Teil einer internationalen Unternehmensgruppe, die sich einer Matrixorganisation bedient. In dieser Struktur werden die Vertriebsabteilungen von sogenannten „Matrixmanagern“ außerhalb Deutschlands geleitet. Die deutsche Tochtergesellschaft entschied im Mai 2020, dass künftig alle „Sales Directors“ direkt an einen „Area Vice President“ berichten sollten, wodurch die Position des „Country Managers Germany“ überflüssig wurde. Die Aufgaben des Klägers wurden stattdessen von einer Konzerngesellschaft im Ausland übernommen.

Am 11. Mai 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 2020. Der Kläger reichte daraufhin Kündigungsschutzklage ein. Er argumentierte, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, da die Aufgabenverlagerung innerhalb des Konzerns nur dazu diene, ihn loszuwerden. Die Funktion des „Country Managers Germany“ bestehe weiterhin, werde jedoch faktisch von einer anderen Person ausgeübt.

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt sei. Aufgrund der neuen Organisationsstruktur sei die Position des Klägers entfallen, und die unternehmerische Entscheidung sei auch tatsächlich umgesetzt worden.

(Hinweis in einfachen Worten: Der Job des Arbeitnehmers ist in einem Betrieb 1 weggefallen, wird aber in einem anderen Betrieb 2 des gleichen Konzerns weiter ausgeübt. Die Tätigkeit fällt weiter an, aber eben nicht im Betrieb 1, dem bisherigen Arbeitgeber sondern in Betrieb 2.

Geht das? Ist das der „Wegfall der Beschäftigung“, wie es das Kündigungsschutzgesetzes für die Wirksamkeit der Kündigung voraussetzt?)

Das Urteil

Die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und daher sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), also wirksam!

1. Unternehmerische Organisationsentscheidung ist nicht zu prüfen

Das Gericht stellte klar, dass es nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte sei, die wirtschaftliche Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit einer unternehmerischen Entscheidung zu bewerten. Ein Unternehmen könne selbst festlegen, ob bestimmte Aufgaben weiterhin intern wahrgenommen oder auf eine andere Gesellschaft ausgelagert werden. Die Grenze sei lediglich dort erreicht, wo eine Entscheidung willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erscheine – hierfür gebe es im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte.

2. Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen

Das Gericht stellte fest, dass durch die Umstrukturierung die Aufgaben des Klägers tatsächlich nicht mehr bei der Beklagten, sondern bei einer ausländischen Konzerngesellschaft angesiedelt wurden. Dies führte zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs im deutschen Unternehmen.

3. Keine Pflicht zur Weiterbeschäftigung im Konzern

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist ein Unternehmen nicht verpflichtet, einem gekündigten Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit innerhalb des Konzerns anzubieten, sofern kein Gemeinschaftsbetrieb mit einer anderen Gesellschaft vorliegt. Da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass seine Tätigkeit von einer anderen Person innerhalb der Beklagten weitergeführt wurde, war die Kündigung wirksam.

Hinweise für die Praxis

  1. Konzerninterne Umstrukturierungen können betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigen
    • Wenn Aufgaben innerhalb eines Konzerns verlagert werden, kann dies den Wegfall eines Arbeitsplatzes begründen.
    • Voraussetzung ist, dass die Umstrukturierung tatsächlich umgesetzt wird und nicht nur als Vorwand zur Kündigung dient.
  2. Keine Weiterbeschäftigungspflicht innerhalb des Konzerns
    • Arbeitgeber müssen im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes nur innerhalb des eigenen Unternehmens nach freien Arbeitsplätzen suchen, nicht jedoch konzernweit.
    • Arbeitnehmer können sich nicht darauf berufen, dass ihre Aufgaben in einer anderen Konzerngesellschaft weitergeführt werden.
  3. Gerichte prüfen keine wirtschaftliche Notwendigkeit von Umstrukturierungen
    • Die Arbeitsgerichte bewerten nur, ob eine unternehmerische Entscheidung willkürlich oder missbräuchlich ist, nicht aber, ob sie wirtschaftlich sinnvoll oder notwendig war.

Dieses Urteil verdeutlicht, dass Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen durch Umstrukturierungsmaßnahmen rechtfertigen können, solange der Arbeitsplatz objektiv entfällt und die Entscheidung tatsächlich umgesetzt wird.

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