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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. Juni 2022 – 2 Sa 21/22
So lautete eine Stellenanzeige bei Ebay-Kleinanzeigen. Ein Mann bewarb sich hierauf, erhielt die Stelle jedoch nicht. Stattdessen bekam er nach einer Klage Schadensersatz in Höhe von € 7.800,00 von dem Arbeitgeber.
Die Beklagte, ein familiengeführter Kleinbetrieb, hatte über eBay-Kleinanzeigen die folgende Anzeige geschaltet:
„Sekretärin gesucht!
Beschreibung:
Wir suchen eine Sekretärin ab sofort.
Vollzeit/Teilzeit
Es wäre super, wenn sie Erfahrung mitbringen.
Standort: 2…. B.“
Der Kläger schrieb die Beklagte daraufhin über die Chatfunktion an und bewarb sich auf die Stelle. Hierbei erkundigte er sich auch, ob die Beklagte „ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau“ suche. Weil die Beklagte zunächst nicht reagiert, schrieb der Kläger die Beklagte erneut über die Chatfunktion an, wiederholte, dass er Interesse an der ausgeschriebenen Stelle habe und erkundigte sich erneut, ob ausschließlich eine Frau gesucht werde:
„Suchen Sie denn nur eine Frau? In ihrer Stellenbeschreibung haben Sie dies so angegeben.“
Die Beklagte sagte dem Kläger ebenfalls über die Chatfunktion ab und bestätigte, dass sich die Stellenausschreibung ausschließlich an eine Frau richtete:
„Wir suchen eine Dame als Sekretärin.“
Der Kläger rief sogar noch einmal bei der Beklagten an, erhielt jedoch erneut mit Verweis auf sein Geschlecht eine Absage. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigungssumme in Höhe von € 3.500,00 auf. Weil eine Einigung nicht erzielt werden konnte, erhob der Kläger eine Klage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn und beantragte, die Beklagte wegen Diskriminierung zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von € 7.800,00 zu verurteilen.
Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der Kläger sei kein Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gewesen. Er habe über die Chatfunktion von eBay lediglich Erkundigungen zu der Stelle eingeholt und sein Interesse bekundet. Weil er in diesem Stadium – einer Vorstufe zu der Bewerbung - bereits in Erfahrung gebracht habe, dass die Beklagte eine Frau suche, habe er von der eigentlichen Bewerbung abgelassen. Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ein.
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein beurteilte den Fall ganz anders und sprach dem Kläger die beantragte Schadenersatzzahlung zu.
Der Kläger habe ein digitales Bewerbungsschreiben an die Beklagte gesandt, indem er über das Chatportal von eBay auf die Stellenausschreibung geantwortet und ausdrücklich erklärt habe, er bewerbe sich auf die Stelle. Daher sei er auch „Bewerber“ im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Anders als von dem Arbeitsgericht Elmshorn angenommen, müsse ein Bewerber auch nicht etwa ein Mindestmaß an Informationen zu seiner Person übermitteln:
„Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers wird gesetzlich nicht gefordert. Die Person des Bewerbers muss identifizierbar sein. Dies war der Fall.“
Mit der Aussage gegenüber dem Kläger, dass die Beklagte nur eine Frau als Sekretärin einstellen wolle, habe die Beklagte darüber hinaus eine Geschlechtsdiskriminierung begangen, da sie den Kläger wegen seines männlichen Geschlechts abgelehnt habe.
Auch der Einwand der Beklagten, der Kläger habe rechtsmissbräuchlich gehandelt, weil er sich zu keiner Zeit ernsthaft auf die Bürostelle beworben habe, es ihm vielmehr einzig und allein darum gegangen sei, einen Entschädigungsanspruch gegenüber einem unerfahrenen Kleinstbetrieb geltend zu machen, ließ das Landesarbeitsgericht nicht durchgehen.
„[Die] vorgetragenen (Gesamt-)Umstände rechtfertigen jedenfalls nicht den Schluss, auch die Bewerbung des Klägers auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle und die sich an die Ablehnung anschließende Entschädigungs- und Schadensersatzklage seien Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens des Klägers im Rahmen eines „Geschäftsmodells“. Vielmehr verbleibt, die „gute Möglichkeit“, dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der Stelle hatte, und dass er mit der Erhebung der Entschädigungs- und Schadensersatzklage zulässigerweise seine Rechte nach dem AGG wahrgenommen hat.“
Immer wieder ist festzustellen, dass Arbeitgeber*innen gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoßen. Problematisch hieran ist, dass auch dann eine Schadensersatzpflicht besteht, wenn die Diskriminierung überhaupt nicht gewollt war und lediglich versehentlich oder aus Unwissenheit erfolgte.
Steht der Verstoß erst einmal fest, ist die einzige Verteidigungsmöglichkeit, die Rechtsmissbräuchlichkeit der Schadensersatzforderung darzulegen. Wie das vorliegende Urteil jedoch zeigt, sind die Hürden hierfür äußert hoch.
Wo immer möglich, raten wir daher, keinen Raum für einen Diskriminierungsvorwurf zu bieten. Sei es im Bewerbungsverfahren, im laufenden Beschäftigungsverhältnis (Stichwort Beförderung) oder im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Gerne helfen wir Ihnen, diese Klippen zu umschiffen.
Weitere Informationen rund um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erhalten Sie in unserem "Ratgeber Arbeitsrecht".
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