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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.5.2025-5 AZR 215/24
Umkleidezeiten! Ah! Allein dieses Wort erzeugt Freude auf das Urteil, das sich mit dieser Überschrift mir bietet. Denn wann immer es um Umkleidezeiten geht, geht es um absoluten Kleinkram. Da zeigt sich, wie genau die Rechtsprechung auch bei kleinen Beträgen arbeitet.
Das sind die Zeiten, wo sich jemand für seine Arbeit umziehen muss, da er privat niemals mit diesen Klamotten herumlaufen würde. Umkleidezeiten gibt es deshalb nicht für Anwälte, die natürlich auch privat gerne mit Schlips, Krawatte und Anzug herumlaufen und deshalb all diese Dinge auch nicht steuerlich als Werbekosten absetzen können.
Umkleidezeiten werden von Arbeitgebern nur dann bezahlt, wenn die anzuziehenden Kleidungsstücke dreckig sind, leuchten, vor Verletzungen schützen oder ähnliche Zwecke haben. Wer diese Kleidungsstücke jetzt sich trotzdem schon Zuhause anzieht und damit mit der Bahn zur Arbeit fährt, spart sich eigentlich die Umkleidezeiten im Betrieb - das meine aber nur ich und nicht die Rechtsprechung. Umkleidezeiten muss der AG immer zahlen, wenn das anziehen der Klamotten fremdnützig, also im Interesse des Arbeitgebers liegt. Auch wenn es Schutzkleidung ist und den Arbeitnehmer schützt, liegt es im Interesse des Arbeitgebers, dass die Schutzkleidung angelegt wird.
Im vorliegenden Fall geht es um einen Rettungssanitäter, der sich vor Beginn der Arbeit Schutzkleidung anziehen muss, die so abstoßend sein muss, dass man nicht erwarten kann, dass der Mitarbeiter mit dieser Schutzkleidung bereits in den Betrieb fährt sondern er sich dort umziehen muss. Wenn er allerdings um 8:00 Uhr Schichtbeginn hat, muss er sich schon vor 8:00 Uhr einfinden und sich umziehen und das dauert im vorliegenden Fall genau 12 Minuten. Er soll deshalb diese 12 Minuten auch vergütet erhalten. Die Tarifvertragsparteien, also Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung, haben im Manteltarifvertrag eine Regelung aufgenommen, die einmal ein Jahresarbeitszeitkonto betrifft und zum anderen regelt, was die geschuldete Arbeit ist:
Sie ist die Zeit die „durch Arbeit und Abwesenheit, die der Arbeit gleichsteht (z.B. Urlaub, Krankheit) erbracht“ wird.
Für das An- und Ablegen der Schutzkleidung wird pro geleisteter Schicht eine Zeitgutschrift von pauschal 12 Minuten auf dem Arbeitszeitkonto bewirkt. Diese Zeitgutschrift gewährt der Arbeitgeber nur, wenn der Mitarbeiter tatsächlich arbeitet, jedoch nicht, wenn er im Urlaub oder krank ist.
Alle Arbeitgeber, die jetzt mitlesen, fragen sich, wo das Problem ist, denn wenn ein Mitarbeiter nicht in den Betrieb kommt, weil er im Urlaub ist oder arbeitsunfähig zu Hause bleibt, dann muss er sich schließlich auch nicht umziehen. Warum soll er dann 12 Minuten Umkleidezeit gutgeschrieben erhalten?
Die Antwort folgt.
In dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall klagte nun der Kläger Umkleidezeiten im Umfang von 5,8 Stunden für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und 4,6 Stunden für Urlaubszeiten, insgesamt 10,4 Stunden, ein. Da hat er sich nicht umgezogen! Und um wenig geht es auch, wie die Überschrift „Umkleidezeiten“ vermuten ließ.
Das Arbeitsgericht hat beide Anträge abgewiesen, der Arbeitnehmer hat also verloren, da er sich auch nicht hat umziehen können, weil er Arbeitsunfähig oder im Urlaub war.
Wie so häufig bestätigen obere Gerichte gerne die arbeitsrechtlichen Unkenntnisse der unteren Instanzen und attestieren, dass auch Arbeitsrichter keine Ahnung von Arbeitsrecht haben. So auch hier. Das LAG Nürnberg hat in der Berufungsinstanz der noch erweiterten Klage (es gab noch mehr Urlaub in den 4 Jahren, wie der der Prozess dauerte und auch noch mehr AU – Zeiten, also noch mehr Umkleidezeiten ohne sich umzukleiden) stattgegeben und den Arbeitgeber verurteilt, die Umkleidezeiten, die nicht angefallen waren aufgrund von AU und Urlaub, trotzdem zu vergüten.
Es wurde sodann Revision vom Arbeitgeber eingelegt. Diese wurde vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zurückgewiesen, der Arbeitgeber hat damit letztinstanzlich verloren.
Damit steht fest, dass der Arbeitnehmer mit seinem Antrag voll obsiegt hat. Allerdings hat der die Erweiterung seiner Klage nicht fristgerecht vorgenommen, sodass einige Ansprüche verfallen war. Da zeigt sich wieder ein gut verhandelter Tarif- oder auch Arbeitsvertrag mit strengen Ausschlussfristen.
Sollte der Anwalt des Arbeitnehmers die Frist nicht eingehalten haben (es ging eben nur um ein paar Stunden Arbeitszeit) liegt ein schöner Haftungsfall für den obsiegenden Anwalt vor. Sicher nimmt ihn dann der Kläger auch noch in Regress.
Das Bundesarbeitsgericht urteilt jedenfalls, dass die Zeitgutschrift von 12 Minuten nach dem Manteltarifvertrag für das An- und Ablegen der Schutzkleidung eine andere Form des Entgelts bzw. der Arbeitsvergütung sei. Und wenn jemand erkrankt oder im Urlaub ist, ist das Entgelt weiterzuzahlen, dass er erhalten hätte, wenn er nicht erkrankt gewesen wäre oder im Urlaub. Das bedeutet, es kommt nicht darauf an, was der Arbeitnehmer in dieser Zeit gemacht hätte (sich umzuziehen, was definitiv entfallen ist) sondern wie viel Geld er verdient hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig gewesen wäre und dann wären schließlich diese Umkleidezeiten vergütungspflichtig gewesen.
Da der Kläger infolge des §§ 4 Abs. 1 EFZG verankerten modifizierten Entgeltausfallprinzips die volle Vergütung erhalten müsse, die er erhalten hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig gewesen wäre, bestehe sein Anspruch.
Für den Erholungsurlaub folge entsprechendes aus § 1 BUrlG, der den Arbeitgeber verpflichtet, grundsätzlich alle infolge des Urlaubs ausfallenden Arbeitsstunden zu vergüten. Dieser Anspruch sei nach den §§ 1, 3, 13 BUrlG auch durch Tarifvertrag nicht abdingbar und zudem europarechtlich geboten
Nach 5 Jahren Klage, 50 eingeklagten Arbeitsstunden, von denen 40 verfallen sind, weil zu spät eingeklagt, haben wir nun dieses wichtige Urteil zur Kenntnis genommen.

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