Arbeitsgericht Koblenz, Urteil vom 09.0.22022 – 7 Ca 2291/21

Richtigerweise hätte die Beklagte die Klägerin als „Wichserin“, „dumme Pisserin“ und „Stricherin“ bezeichnen müssen.

Trotz dieser Feststellung genügten die Beleidigungen dem Arbeitsgericht Koblenz nicht, um eine Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts anzunehmen. Die Beklagte hatte sich jedoch noch weitere „Fehlgriffe“ geleistet:

Der Fall

Die Klägerin – ihrem biologischen Geschlecht sowie ihrem Erscheinungsbild (Statur, Frisur, Kleidung, Stimme) nach ein Mann – war als selbstständige Handwerkerin tätig und betreute gemeinsam mit der Beklagten die Sanierung eines Hauses. Als die Beklagte im Internet eine Stellenanzeige veröffentlichte, in der es unter anderem hieß

„Wir suchen coole Typen – Anlagenmechaniker – Bauhelfer (…)“

bewarb sie sich auf die Stellenausschreibung, erhielt aber keine Zusage. Der Geschäftsführer der Beklagten leitete die Bewerbung der Klägerin stattdessen mit dem Kommentar „Was läuft da nur falsch?“ sowie einer Emoji mit heruntergezogenen Mundwinkeln über den Messanger-Dienst WhatsApp an die gemeinsame Kundin weiter. Die Bewerbung der Klägerin hatte nur eine einzige Auffälligkeit: Sie war mit „Frau Markus (…)“ unterschrieben.

Die Parteien gerieten in der Folgezeit immer wieder aneinander, die Stimmung schaukelte sich auf, bis sie schließlich eskalierte. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin als „Wichser“, „dummer Pisser“ und „Stricher“ beleidigt hatte, erhob diese Klage und beantragte, die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu verurteilen, die mindestens € 10.250,00 betragen sollte. Sie sah sich durch die Stellenausschreibung der Beklagten nämlich wegen ihres Alters und ihrer sexuellen Identität diskriminiert.

Das Urteil

Das Arbeitsgericht Koblenz verurteilte die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot zu einer Zahlung in Höhe von € 6.000,00, wies die Klage darüber hinaus jedoch ab.

Das Arbeitsgericht stellte zunächst fest, dass die Klägerin gegenüber anderen (tatsächlichen oder potenziellen) Bewerbern schlechter gestellt worden sei, weil sie nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Ihr sei dadurch nämlich die Chance auf eine Einstellung versagt worden. Zwar sei die Klägerin nicht aufgrund ihres Alters diskriminiert worden. Der Begriff „cool“ weise keinen Altersbezug auf und sei gerade nicht mit „jung“ gleichzusetzen:

„Cool können Personen, Verhaltensweisen, Ereignisse oder sonstige Umstände sein, der Begriff dient der saloppen Bezeichnung einer besonders gelassenen, lässigen, nonchalanten, kühlen, souveränen, kontrollierten, nicht nervösen Geisteshaltung oder Stimmung sowie der Kennzeichnung besonders positiv empfundener, den Idealvorstellungen entsprechender Sachverhalte.“

In den Augen des Arbeitsgerichtes war die Klägerin aber aufgrund ihres (weiblichen) Geschlechts diskriminiert worden. Zum einen habe ihre Bewerbung an die Beklagte ausschließlich die feminine Form (Elektrotechnikerin, Mess- und Regelmechanikerin, Ausbilderin) angeführt und sei mit „Frau Markus (…)“ unterzeichnet worden. Auch sei sie in dem gesamten Verfahren als „Frau Markus (…)“ aufgetreten. Insgesamt habe die Klägerin somit keinen Zweifel daran gelassen, dass sie als Frau angesehen und behandelt werden möchte, weshalb ihre selbst empfundene geschlechtliche Identität als Frau rechtlich anzuerkennen sei. Zum anderen haben genügend Indizien vorgelegen, die eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. So habe sich die Stellenausschreibung der Beklagten aufgrund der Verwendung ausschließlich maskuliner Formen (Anlagenmechaniker, Bauhelfer etc.) an einen Mann gerichtet und der WhatsApp-Vermerk „Was läuft da nur falsch?“, verbunden mit der Emoji mit herabhängenden Mundwinkeln, sei unzweifelhaft als negative Aussage auf den Umstand zu beziehen, dass die Bewerbung der Klägerin von „Frau Markus (…)“ stamme.

Das Arbeitsgericht Koblenz hielt daher eine Entschädigung in Höhe von € 5.000,00 (1 ½ Monatsgehälter) für angemessen. Weil die Beklagte die Bewerbung der Klägerin ohne deren Erlaubnis an die gemeinsame Kundin weitergeleitet und zudem mit einem negativen Kommentar versehen hatte, sprach das Gericht der Klägerin darüber hinaus weitere € 1.000,00 wegen einer Persönlichkeits-/Datenschutzverletzung zu.

Hinweise für die Praxis

Einmal davon abgesehen, dass Arbeitgeber*innen die Bewerbungsunterlagen potenzieller Arbeitnehmer*innen nicht ungefragt – vor allem nicht negativ kommentiert – an Dritte weiterleiten sollten, verfügte die Beklagte offensichtlich nicht über ein ausreichendes, geschweige denn gutes Bewerbermanagement. Die Folge in vergleichbaren Fällen ist häufig, dass Arbeitgeber*innen zu mitunter empfindliche Schadensersatzzahlungen verurteilt werden. In der Rechtsprechung haben sich nämlich unter anderem die folgenden Grundsätze durchgesetzt:

  • Die Verwendung ausschließlich maskuliner Formen bei der Stellenausschreibung (Anlagenmechaniker, Bauhelfer etc.) deutet darauf hin, dass sie sich nur an Männer und nicht an Personen anderen Geschlechts richten will.
  • Die Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen kann nicht allein nach physischen Geschlechtsmerkmalen bestimmt werden, sondern hängt im Wesentlichen auch von der physischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab. Es ist weder eine Angleichung des Vornamens (Frau Markus …) noch ein Statuswechsel des Geschlechtes oder gar eine Geschlechtsumwandlung erforderlich.
  • Die Rasse, ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion oder Weltanschauung, die Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität müssen kein wesentliches oder gar ausschließliches Motiv für die benachteiligende Behandlung sein. Es genügt vielmehr eine Mitursächlichkeit.
  • Eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, muss lediglich Indizien vortragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines der vorgenannten Gründe erfolgt ist.
  • Wird ein(e) Bewerber*in nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, kommt es daher weder darauf an, ob ohne benachteiligende Behandlung eine Einstellung erfolgt wäre noch, ob es überhaupt andere Bewerber*innen gegeben hat, ob deren Bewerbungen Erfolg hatten und ob ein(e) von dem/der Arbeitgeber*in ausgewählter Bewerber*in die Stelle letztlich angetreten hat. Auch die objektive Eignung des Bewerbers*in spielt nach jüngerer höchstrichterlicher Rechtsprechung in vielen Fällen keine Rolle mehr.