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Erst Daten und E-Mails löschen - dann ins Sabbatical

Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 17.11.2022 - 3 Sa 17/22

Weil die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen ist, hat sie das Verfahren in beiden Instanzen verloren. Vollkommen unnötig, wie wir meinen.

Der Sachverhalt

Der bei der Beklagten als Berater beschäftigte Kläger löschte kurz vor Antritt seines Sabbaticals Dateien und E-Mails von seinem dienstlichen Rechner und aus dem Online-Speicher der Beklagten. Doch damit nicht genug - der Kläger leitete sich weitere dienstliche E-Mails auf seine private E-Mail-Adresse weiter und sprach überdies eine Eigenkündigung aus. Aus Sicht des Klägers ein sauberer Schnitt, da er nicht beabsichtigte, nach dem Sabbatical für die Beklagte weiterzuarbeiten.

Als der Kläger der Beklagten seinen Rechner herausgab, stellte diese schnell fest, dass der Kläger Dateien und E-Mails gelöscht hatte. Sie sprach umgehend eine fristlose Kündigung aus. Als sie kurz darauf feststellte, dass der Kläger sich auch noch E-Mails weitergeleitet hatte, folgte eine zweite, ebenfalls fristlose Kündigung.

Der Kläger erhob daraufhin vor dem Arbeitsgericht Hamburg eine Kündigungsschutzklage und wehrte sich gegen die beiden fristlosen Kündigungen. Die Beklagte wiederum erhob eine Widerklage und verlangte unter anderem, den Kläger zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund € 90.000,00 zu verurteilen, die Ihr an Kosten für externe Ermittler entstanden waren.

Weil das Arbeitsgericht Hamburg der Kündigungsschutzklage stattgab und die Widerklage abwies, legte die Beklagte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg ein.

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht Hamburg bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Es begründete seine Entscheidung aber nicht etwa damit, dass Mitarbeiter grundsätzlich Daten löschen und E-Mails weiterleiten dürften. Die Beklagte hatte einfach nicht in dem erforderlichen Umfang vorgetragen!

So hat die Beklagte beispielsweise rund 150 gelöschte Dateien in einer Excel-Tabelle aufgelistet und diese als Anlage ihrem Schriftsatz beigefügt. Vorgetragen hatte die Beklagte aber, dass der Kläger fast 4.300 Dateien gelöscht habe. Außerdem hätte die Beklagte im Detail vortragen müssen, um was für Dateien es sich gehandelt hat und aus welchen Gründen diese für ihre Geschäftstätigkeit von besonderer Bedeutung gewesen sind und ihr aufgrund des Löschens durch den Kläger nicht mehr zugänglich waren. Der Kläger hatte sich nämlich zum einen damit verteidigt, dass es sich bei den Dateien um eigene, nicht mehr benötigte Entwürfe gehandelt habe. Einige der Dateien stammten sogar aus dem persönlichen Ordner des Klägers. Zum anderen seien die Dateien in der zentralen Dokumentenablage der Beklagten noch vorhanden.

Das Weiterleiten der E-Mails, also das Kopieren von Dateien, sei zwar wiederum grundsätzlich geeignet ein Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden, aber eben nicht in dem vorliegenden Fall. Der Kläger hatte nämlich argumentiert, er habe die E-Mails benötigt, um streitige Provisionsansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Dafür, dass der Kläger den Zweck verfolgt hätte, der Beklagten zu schaden oder die Daten etwa für einen Wettbewerber zu nutzen, sah das Gericht keine Anhaltspunkte.

Und wie sah es mit dem Schadensersatzanspruch aus?

Diesbezüglich führte das Gericht aus, dass nur insoweit ein Schadensersatzanspruch bestehen könne, wie sich ein anfänglicher Verdacht eines gravierenden Fehlverhaltens mit den durchgeführten Ermittlungen hätte bestätigen lassen. Vorliegend fehlte es jedoch teils an einem Anfangsverdacht und teils an einem festgestellten gravierenden Fehlverhalten.

Zwar hat sich im Zuge der Untersuchungen herausgestellt, dass der Kläger tatsächlich Daten übertragen hatte, wie von der Beklagten vermutet. Allerdings sei bei Auftragserteilung kein konkreter Verdacht gegen den Kläger ersichtlich gewesen. Nach dem Vortrag der Beklagten hatte ihr IT-Administrator festgestellt, dass der Kläger E-Mails und Dateien gelöscht habe und empfohlen, die Untersuchungen auf Übertragungsvorgänge auf andere Speichermedien auszuweiten. Anhand dieses Vortrages lasse sich ein konkreter Verdacht gegen den Kläger, der diese Untersuchungsmaßnahmen rechtfertigt, nicht erkennen. Im Übrigen seien die festgestellten Verfehlungen des Klägers in dem vorliegenden Fall nicht so gravierend, dass sie eine fristlose Kündigung rechtfertigen, weshalb auch die an dieser Stelle entstandenen Ermittlungskosten nicht erstattungsfähig seien.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil ist ein Paradebeispiel für eine schlechte Verfahrensvorbereitung und ‑führung. Es zeigt deutlich, wie wichtig es ist, bereits vor Ausspruch einer Kündigung „sauber“ zu arbeiten und die Kündigung „richtig“ vorzubereiten.

Hätte die Beklagte den Kläger vorliegend zu Ihrem Verdacht angehört, hätte – je nach Stellungnahme des Klägers – ein hinreichender Verdacht für weitere Ermittlungen vorgelegen. Der Kläger hätte die für die Ermittlung entstandenen Kosten jedenfalls anteilig erstatten müssen. Darüber hinaus hätte die Beklagte ihre Kündigungen auch auf den Verdacht des Löschens von Dateien und Weiterleitens von E-Mails stützten können.

Aber auch während der Prozessführung hätte die Beklagte schlicht viel präziser vortragen müssen. Hätte Sie sich nicht mit einem zu oberflächlichen Vortrag zufriedengegeben, spricht vieles dafür, dass sie den Rechtsstreit für sich entschieden hätte.

In unserem Ratgeber habe wir für Sie die wichtigsten Punkte bei einer verhaltensbedingten Kündigung zusammengefasst und in unserer Urteilsdatenbank weitere interessante Urteile aufbereitet.

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