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Arbeitgeber-Strafrecht

Das Arbeitsrecht weist für den Arbeitgeber jede Menge Tücken auf. So muss er bei allem seinem Handeln schon deswegen mehrfach genau hinsehen, damit er nicht von einem (potenziellen, aktuellen oder ehemaligen) Mitarbeiter oder dem Betriebsrat verklagt wird. Oft übersehen wird dabei allerdings, dass weitere ganz erhebliche Gefahren im Rahmen des Strafrechts (und des Ordnungswidrigkeitenrechts) drohen.

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Arbeitgeber-Strafrecht

Unter dem Oberbegriff des Arbeitgeberstrafrechts werden allgemein all die Normen verstanden, wegen welchen der Arbeitgeber eine (Geld- oder Haft-)Strafe oder (im Falle einer Ordnungswidrigkeit) ein Bußgeld erhalten kann, sofern die Norm eine gewisse Nähe zur Tätigkeit des Arbeitgebers hat. Ein Arbeitgeber kann theoretisch auch einen Arbeitnehmer heimtückisch vergiften und sich so wegen Mordes strafbar machen; § 211 StGB (Mord) wird dadurch aber keine klassische Norm des Arbeitgeberstrafrechts.

Im Folgenden soll die Bedeutung des Arbeitgeberstrafrechts für den Arbeitgeber aufgezeigt und das Vorgehen bei Problemen in diesem Bereich dargestellt werden:

  1. „Ich bin doch kein Krimineller!“
  2. Was tun, wenn’s brennt?
  3. Welche Strafen drohen?
  4. Wem droht Strafe?
  5. Wo droht Gefahr?
  6. Was sind die Konsequenzen?
  7. Wer hilft?
  8. Wie den Kopf aus der Schlinge ziehen?
  9. Vorsicht ist besser als Nachsicht
  10. Das Strafrecht im Kündigungsschutzprozess

 

I. „Ich bin doch kein Krimineller!“

Die Gefahr, strafrechtliche Probleme zu bekommen, wird von Arbeitgebern auch gerne deswegen ignoriert, weil mit dem Strafrecht ein „kriminelles“ Vorgehen in Verbindung gebracht wird. „Sowas würden wir niemals machen…“. Dabei lässt auch bloß fahrlässiges Verhalten den Arbeitgeber zum Teil überraschend schnell in strafrechtliche Bedrängnis geraten. Zumindest drohen bei fahrlässigen Verstößen in vielen Fällen empfindlichste Bußgelder.

 

II. Was tun, wenn’s brennt?

Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine erfolgreiche Verteidigung die entscheidenden Weichen schon möglichst im frühestmöglichen Stadium des Ermittlungsverfahrens setzen sollte. Kommt ein Arbeitgeber mit einem Bußgeldbescheid oder einem Strafbefehl zum Anwalt, kann der Anwalt hier zwar oft auch im gerichtlichen Wege helfen; in vielen Fällen geht es dann aber vor allem darum, „die Kohlen aus dem Feuer“ zu holen. Besonders unglücklich ist es dabei regelmäßig, wenn der Verteidiger im Rahmen der Akteneinsicht feststellen muss, dass der Arbeitgeber schon ausführlich mit der Polizei gesprochen hat. Dann mag die gut gemeinte Aussage, man habe schon gesehen, dass die aktuelle Pausengestaltung problematisch sei und plane gerade eine Umgestaltung, nicht zu Verständnis bei der Ermittlungsbehörde führen, sondern zu einem Ermitteln wegen vorsätzlicher Handlung und nicht mehr allein wegen Fahrlässigkeit. Das Ergebnis bei solchen Fehlern ist regelmäßig eine deutliche Erhöhung der Geldstrafe oder des Bußgeldes.

Sobald der Arbeitgeber daher die Mitteilung erhält, dass gegen ihn oder einen Mitarbeiter ein Ermittlungsverfahren läuft, sollte umgehend ein fachkundiger Verteidiger aufgesucht werden und keinesfalls Stellung gegenüber der Polizei oder dem Ordnungsamt genommen werden. Kein Mensch muss sich im deutschen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht selbst belasten; negative Schlüsse aus einer unterlassenen Aussage können im Strafrecht daher nicht gezogen werden.

Im Hinblick auf diverse Mitwirkungs- und Auskunftspflichten kann es hier allerdings im behördlichen Verfahren oft zu einem Konflikt zwischen diesen Pflichten und dem Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen ergeben. Hier ist stets im Einzelfall zu prüfen, wie im Konfliktfall zu handeln ist. Es wäre unglücklich, wegen der Verweigerung der Mitwirkung ein weiteres Bußgeld zu erhalten.

 

III. Welche Strafen drohen?

Welche Strafen und Geldbußen drohen, richtet sich jeweils nach den einzelnen Gesetzen. Hier reicht das Spektrum über bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB zu Bußgeldern bis zu € 20.000.000,- bei Datenschutzverstößen, Bußgeldern bis zu € 500.000,- bei Verstößen gegen die Zahlung des Mindestlohns oder Bußgeldern bis zu € 10.000,- bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats.

Dabei kann das Gericht den gesetzlichen Rahmen bei Geldbußen sogar überschreiten, wenn der Arbeitgeber durch den Verstoß mehr Gewinn gemacht hat, als er Bußgeld zahlen müsste. Gemäß dem Grundsatz „Crime does not pay“ soll das Bußgeld den wirtschaftlichen Vorteil des Täters, den dieser aus der Tat gezogen hat, übersteigen, § 17 Abs. 4 OWiG. Macht ein Täter mehr Gewinn, als die maximale Geldbuße beträgt, so ist eine Geldbuße in Höhe des Gewinns festzusetzen.

Zudem sollte der Arbeitgeber auch berücksichtigen, dass auch bei Straftaten zugunsten des Unternehmens (z. B. Bestechung) der finanzielle Vorteil des Arbeitgebers eingezogen, § 73b StGB, § 29a OWiG, werden kann. Das kann finanziell oft mehr wehtun als eine Geldstrafe oder -buße. Gerade im Bereich der Einziehung nach § 29a OWiG wird von Behörden regelmäßig der Bruttoumsatz und nicht der Nettogewinn eingezogen. Schon hier kann ein fachkundiger Verteidiger oft erhebliche Summen einsparen, indem er die Einziehungssumme überzeugend angreift.

Letztlich droht dem Arbeitgeber (bzw. der dort verantwortlichen Person) auch eine mögliche Haftstrafe. In der Regel wird hier zwar eine Geldstrafe verhängt oder mögliche Haftstrafen allenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden; gerade bei wiederholten Verstößen besteht aber die Gefahr, eine Zeit durch Fenstervorhänge des bekannten blau-gelben Einrichtungshauses atmen zu müssen.

 

IV. Wem droht Strafe?

Das deutsche Strafrecht kennt (jedenfalls noch) kein Unternehmensstrafrecht im eigentlichen Sinne. Eine juristische Person – wie eine GmbH oder eine AG – kann nicht nur keine Haftstrafe verbüßen (was schon aus praktischen Gründen nicht möglich wäre), sondern auch kein Adressat einer Geldstrafe sein. Strafrechtlich werden somit stets die betroffenen Personen hinter der Gesellschaft belangt werden, also zum Beispiel der Geschäftsführer oder der Vorstand. Hier kann es gerade bei Entscheidungen von Gremien zu erheblichen strafrechtlichen Schwierigkeiten kommen bei der Frage nach der Verantwortung einzelner Mitglieder des Gremiums.

Anders ist die Situation im Ordnungswidrigkeitenrecht. Hier wird ausdrücklich festgelegt, dass bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten der Unternehmensleitung auch gegen die Gesellschaft selbst ein Bußgeld bis zu € 10.000.000,- bei vorsätzlichen Taten verhängt werden kann. Diese Bußgelder sind besonders problematisch im Hinblick auf das Gewerbezentralregister. Bei einer Unzuverlässigkeit einzelner Führungskräfte lässt sich zwar oft durch den Austausch der Führungskräfte selbst das Unternehmen weiterführen. Bei einer Unzuverlässigkeit der Gesellschaft als solcher ist dies in vielen Fällen kaum mehr möglich.

 

V. Wo droht Gefahr?

Die Bereiche, in denen Strafen und Bußgelder in besonderem Maße drohen, lassen sich anhand ihres Schutzziels grob in verschiedene Kategorien einordnen.

  1. Entgeltschutz
  2. Gesundheitsschutz
  3. Datenschutz
  4. Schutz der betrieblichen Mitbestimmung

 

VI. Was sind die Konsequenzen?

Häufig sehen Arbeitgeber von der Beauftragung eines Verteidigers noch im Ermittlungsverfahren deswegen ab, weil die Staatskasse dessen Kosten auch bei einer Einstellung des Verfahrens nicht übernimmt. Auch bei Bußgeldern in hohem dreistelligen oder niedrigem vierstelligen Bereich erscheint es für die betroffenen Arbeitgeber oft wirtschaftlich sinnvoller, eine Geldstrafe oder eine Geldbuße zu akzeptieren, als durch die Beauftragung eines Verteidigers möglicherweise höhere Kosten zu erzeugen.

Dies lässt aber außer Betracht, dass neben der unmittelbaren Sanktion noch möglicherweise deutlich gravierendere Folgen drohen. Bußgelder über € 200,- werden in das Gewerbezentralregister eingetragen; Geld- oder Haftstrafen über 90 Tagessätze in das Bundeszentralregister. Dies ist in allen Gewerben, die einer Erlaubnis bedürfen besonders problematisch, da hier umso schneller ein Widerruf der Gewerbeerlaubnis droht. So beispielsweise im Bereich des gewerblichen Glücksspiels, des Bewachungsgewerbes oder der Tätigkeit als Immobilienmakler oder Bauträger. Aber auch ohne eine Erlaubnis kann die Ausübung des Gewerbes gem. § 35 Gewerbeordnung (GewO) bei erheblichen oder vielen Einträgen im Gewerbezentralregister oder Bundeszentralregister untersagt werden. Geldstrafen und Bußgelder stellen somit stets eine potenzielle Bedrohung für das eigene Gewerbe dar.

Bei bestimmten Verstößen durch den Geschäftsführer besteht bei der GmbH zudem das Risiko, dass der Geschäftsführer nicht mehr als solcher tätig werden darf, § 6 Abs. 2 GmbHG. Auch dies sollte dringend vermieden werden.

 

VII. Wer hilft?

Bei Ermittlungen wegen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten sollten Arbeitgeber stets umgehend einen Verteidiger beauftragen und nicht das Verfahren erst einmal selbst führen. Übrigens wird auch ein fähiger Strafverteidiger sich nicht in eigener Sache vertreten, sondern einen Kollegen beauftragen. Dies nur nebenbei. Gerade bei Vorwürfen, die nicht zum sogenannten „Kernstrafrecht“ (also alles, was im Strafgesetzbuch steht) zählen, sondern zum sogenannten „Nebenstrafrecht“ (alle anderen Strafnormen) ist regelmäßig neben sicherem Navigieren auf hoher strafrechtlicher See absolute Sicherheit auch in dem Gebiet, aus welchem die Straftat oder Ordnungswidrigkeit herrührt, erforderlich.

Auch ein fähiger Verteidiger wird ohne vertiefte Kenntnisse im Arbeitsrecht in vielen Fällen nicht einmal den berühmten Blumentopf gewinnen können, wenn es bei der Frage nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Verstoßes gerade auf die Auslegung der arbeitsrechtlichen Normen ankommt, gegen die verstoßen worden sein soll. Der Verteidiger sollte somit sowohl im Nebenstrafrecht als auch im Bereich der Gewerbeordnungswidrigkeiten stets vertiefte Kenntnisse beider Rechtsmaterien – hier also Strafrecht/Ordnungswidrigkeitenrecht und Arbeitsrecht haben.

 

VIII. Wie den Kopf aus der Schlinge ziehen?

Eine ausführliche Darstellung der Verfahrensläufe und der Möglichkeiten ein Verfahren auch ohne Strafe oder Bußgeld zu beenden, finden Sie hier.

 

IX. Vorsicht ist besser als Nachsicht

Ein Großteil aller Fälle im Bereich der Strafen und Bußgelder für Arbeitgeber stammt erfahrungsgemäß aus dem Bereich der fahrlässigen Begehung. Vorsätzliche Straftaten des Arbeitgebers stellen die deutliche Ausnahme dar.

Hier aber lässt sich bereits im Vorfeld präventiv tätig werden. So hilft beispielsweise eine – selbstverständlich auch gelebte – Compliance-Richtlinie nicht nur dabei, vorsätzliche Straftaten von Mitarbeitern schnell aufzudecken, sondern auch durch feste Abläufe und Vorgaben fahrlässige Verstöße zu verhindern. Oft zeigen sich problematische Verstöße schon im Rahmen der Erstellung einer solchen Richtlinie.

Ebenfalls ist es möglich, die internen Abläufe mit einem fachkundigen Berater durchzusprechen und diese analysieren zu lassen. Der Berater kann dann Gefahrenquellen aufdecken und helfen, diese durch punktgenaue Änderung der Betriebsabläufe diese zu beseitigen.

Im Datenschutzrecht sollte der Datenschutzbeauftragte nicht nur als Formalität gesehen werden, sondern vielmehr als wichtiger Mitarbeiter oder Dienstleister, der mit seinen Anregungen oft immense Bußgelder hilft zu vermeiden und der auch vom Arbeitgeber von sich aus bei allen Fragen zu Datenschutz immer wieder kontaktiert werden sollte.

Abschließend sollte sich jeder Arbeitgeber aber vor jeder arbeitsrechtlich relevanten Entscheidung fragen, ob er mit Sicherheit sagen kann, dass sein Vorgehen korrekt ist. Im Zweifelsfall spart die kurze Rücksprache mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht hier im Nachgang erhebliche Kosten, die durch die Verteidigung und mögliche Geldstrafen oder Bußgelder entstehen, wenn der Arbeitgeber letztlich doch falsch lag.

 

X. Das Strafrecht im Kündigungsschutzprozess

Straftaten gegen den Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer sind in vielen Fällen ein Grund zur fristlosen Kündigung. In diesen Fällen sollte der Arbeitgeber dem Gericht nicht nur aufzeigen, dass die Handlung des Arbeitnehmers vertragswidrig war; eine Darstellung der Strafbarkeit ist auch deswegen von gehobener Bedeutung, da das Strafrecht als sogenannte ultima ratio (also letzte Lösung) die besondere Verwerflichkeit des Handelns des Arbeitnehmers unterstreicht. Bei einem tätlichen Angriff auf den Arbeitgeber mag das noch recht einfach darzustellen sein. Doch schon der berühmte „Griff in die Kasse“ nicht einfach darzustellen. Denn hier kommt je nach Sachverhaltskonstellation Diebstahl oder Unterschlagung infrage.

Sobald hier aber Tatbestände wie Untreue oder Betrug vorliegen, sollte man dem Gericht deutlich aufzeigen, warum der AN eine bestimmte Strafnorm erfüllt hat. Nicht umsonst wurde die Frage nach der Strafbarkeit der Führung von schwarzen Kassen durch Mitarbeiter eines Unternehmens bis zum Bundesverfassungsgericht.

Ein unsicherer Vortrag zu der strafrechtlichen Bewertung der Handlung des Arbeitnehmers führt dabei regelmäßig zu einem insgesamt wenig überzeugenden Vortrag. Hier werden regelmäßig Chancen für einen erheblich besseren Ausgang des Verfahrens vergeben.

Ist der Vortrag entsprechend überzeugend und durch Indizien belegt, wird nicht nur das Gericht der Rechtfertigung der Kündigung deutlich zugeneigter sein; das Angebot, nicht mehr an den Vorwürfen festzuhalten, wird in diesem Fall zu einer relevanten Verhandlungsmasse für den Arbeitgeber – welche für ihn mit keinerlei weiteren Kosten verbunden ist.

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